Ein Theaterleben – Philipp Büttner in der Staatsoper (Kritik)

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Üblicherweise gilt die Bayerische Staatsoper als recht elitär festgelegter Ort: Oper, Ballett, Liederabende, aber musikalisch selten out of the box. Das ist weniger auf die Programmgestaltung gemünzt, die sich große Mühe gibt, viele Aspekte und Stilrichtungen auf die Bühne zu bringen – vor allem im Publikum und der Wahrnehmung besteht dieses Standing. Durch die Coronakrise wurde das dementsprechend durcheinander gebracht, und so ist es nicht nur eine erfreuliche Nachricht, dass Musical-Sänger Philipp Büttner zur dritten Auflage des „Freien Sonntag“ am 21. Juni 2020 engagiert wurde, sondern auch eine deutliche Botschaft innerhalb der Kulturschaffenden: wir sind alle betroffen. Dass sich also die glücklicherweise finanziell abgesicherte Staatsoper entscheidet, für ihre kleinen Formate der Freien Szene auch Genre-fremdes eine Bühne zu bieten, ist fantastisch.

© Samuel Hoi-Ming Chung

Rund 60 Minuten erzählt Büttner aus seinem bisherigen Werdegang im durchaus harten und schwer umkämpften Musical-Business. Eingebunden ist all das in einem klug ausgewählten Programm an Musical-Songs, die einen Bogen von den historischen Anfängen bis zu den neuesten Erfolgen des Business schlagen. Ein Medley startet den Abend, das neben „Für Sarah“ von „Tanz der Vampire“ und Whitney Houstons legendäres „I Have Nothing“ auch direkt als Einstieg „A Whole New World“ aus dem Disney-Klassiker „Aladdin“ beinhaltet. Dieser sei es auch, der ihn erst so richtig zur Musik brachte – und dementsprechend groß war der Traum, die Rolle des Aladdin zu übernehmen, als das Musical nach Deutschland kam. Doch beim ersten Anlauf hat es, trotz aller Anstrengung, nicht geklappt – ein Grund zum Anstimmen von „You Will Be Found“ aus dem aktuellen Erfolgsmusical „Dear Evan Hansen“, das vor einigen Jahren alle relevanten Tony Awards ergattern konnte. Büttner interpretiert es sanft, zerbrechlich, aber eben auch voller Hoffnung. Die hat sich ausgezahlt, beim zweiten Anlauf klappte es mit Aladdin. Darüber freut er sich auch heute noch wie am ersten Tag.

Die Erzählungen über Auditions, der Herausforderung von acht Auftritten in der Woche und die stimmlichen Veränderungen sind natürlich nur der Rahmen für ein intimes Solo-Konzert. Begleitet von Pianist Marcos Padotzke, der sich flott und gekonnt durch die Melodien spielt, betrachtet Büttner auch musikalische Herzensprojekte, so „West Side Story“, von dem „Something’s Coming“ ins Programm rutscht. Das wollte er immer schon einmal spielen, im Herbst 2018 in Dortmund war es dann soweit. „Jesus Christ Superstar“ steht ebenso auf den Wunschzettel, einen Vorgeschmack gibt es mit „Gethsemane“, eines der schwierigsten Tenorstücke im Muscial-Bereich, das er stimmstark meistert. Allgemein sind die Vocals des Absolventen der Münchner Theaterakadmie August Everding in Bestform, Kopf- und Bruststimme funktionieren auf den Punkt und der Jubel im Anschluss dementsprechend groß.

© Morris Mac Matzen

Corona habe auch ihm einen Strich durch die Rechnung, erzählt Philipp Büttner. Mit Aladdin habe er aufgehört, der letzte Monat ist dann aber weggebrochen. Die geplanten Produktionen für 2020 werden immerhin verschoben, aber dennoch: es bleibt auftragsfreies und damit geldloses Loch. Doch es gäbe eben auch Chancen, gibt er lächelnd zu, wie nun eben auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper zu stehen – eine Bühne, die man im Musicalfach wohl nie betreten wird und selbst im Opernfach als oberstes Ziel gilt. „To Sing“ aus dem Musical „Songs From An Unmade Bed“ stimmt er zum Schluss an. Abschließend dreht er sich gen Publikumssaal, „it has happened before, it can happen again“. Der letzte Blick wieder zurück auf die mit Zuschauern besetzte Bühne. It will happen again.

Kritik: Ludwig Stadler