Legenden-Alarm auf dem Tollwood! Bereits Sting am Vortag hat für ordentlich internationalen Flair gesorgt, auch am folgenden – und zugleich letzten Tag des Sommerfestivals 2022 – ist der Name ein seit Jahrzehnten nicht unbekannter: Patti Smith. Die „Godmother Of Punk“, wie sie gerne bezeichnet wird, war bereits 2015 zu Gast in der Musik-Arena, nun kehrt sie mit zwei Jahren pandemiebedingter Verspätung dorthin zurück und darf fulminant die diesjährigen Comeback-Ausgabe des Tollwoods schließen. Es ist am Abend selbst sogar ausverkauft und die unzähligen Liebhaber*innen der Künstlerin stehen voller Vorfreude im Zelt, um dem Auftritt entgegenzufiebern.
Zwar nicht wie geplant um 19:30 Uhr, aber immerhin um 19:50 Uhr treten die Band-Mitglieder dann auf die Bühne, gefolgt von der Person des Abends selbst, Patti Smith. „It’s good to be back“, ruft sie sichtlich freudestrahlend dem Publikum entgegen, dann beginnt sie mit ruhigen Klängen zu „Redondo Beach“ und „Grateful“. Ein ungewöhnlicher Einstieg, doch was ist schon gewöhnlich bei einer Künstlerin wie Smith. Schon in den 70er-Jahren war sie erfolgreich im Rock-Geschäft unterwegs, als Aktivistin dabei und vor allem eine der ersten Frauen, die mit Gitarrenmusik neben den unzähligen Männer-Bands stand. Eine Koryphäe – damals wie heute. Das stellt sie auch bei Songs wie „Free Money“ unter Beweis, in denen sie zeigt, wie sehr sie auch im Jahr 2022 noch Gas geben kann: das Mikrofon in der Hand, immer wieder mit Schreien und exzessiven Bewegungen gepaart. Die Münchner*innen jubeln und Patti Smith liefert.
Dabei ist die Amerikaner bereits 75 Jahre alt und seit Mitte der 70er-Jahre auch durchgehend mit ihrer Musik und vor allem ihren Gedichten unterwegs. Smith ist schon immer die Lyrikerin – das kommt auch mit ihrem Vortrag von Ginsbergs „Howl“ inmitten des Konzert-Sets zum Vorschein, ein stark umjubeltes Intermezzo. Allgemein beweist das Publikum lautstarken Applaus über die gesamten 105 Minuten Auftrittslänge hinweg, teilweise auch gerne lauter als bei manchen Konzerten jüngerer Hype-Musiker*innen mit vornehmlich jugendlichen Fans. Wer denkt, ein älteres Publikum muss auch zugleich gediegenes Verhalten an den Tag legen, irrt – denn selbst wenn bei u.a. Sting und oftmals Sitzkonzerten der Fall ist, treiben hier die Jubelstürme Band und Sängerin immer weiter an. Besonders hervorstechend ist dabei Jackson Smith, der Sohn von Patti, der die E-Gitarre so passend bespielt wie wohl kein zweiter – er liefert sich auch Duelle mit dem Bass und strahlt in unzähligen Soli-Parts.
Das musikalische Arrangement ist gelungen – gerade die Konzeption ohne Show tut der rauen und ehrlichen Art des Konzerts gut. Zwar ist die Setlist dramaturgisch etwas unglücklich aufgestellt, sodass sich manche Parts doch etwas ziehen und erst von einem mitreißenden Rock-Song unterbrochen werden können. Das tut allem aber keinen Abbruch – und spätestens, wenn Smith eine ihrer sympathischen Ansagen macht, ist das schnell vergessen. Mit „Gloria“ und „People Have The Power“ endet ein grandioses Konzert, dass eine Mahnung für all die Dinge darstellt, die Patti Smith schon so viele Jahre kritisiert, aber auch einfach das Leben feiert. Denn zum Leben findet sie vor „Ghost Dance“ passende Worte: „It’s the best fucking thing we have!“
Setlist: Redondo Beach / Grateful / The Wicked Messenger (Bob Dylan cover) / My Blakean Year / Nine / Free Money / Ghost Dance / Dancing Barefoot / Beneath The Southern Cross / I Wanna Be Your Dog / Walk On The Wild Side / After The Gold Rush (Neil Young cover) / Because The Night / Pissing In A River / Gloria (Them cover) – Zugabe: People Have The Power
Bericht: Ludwig Stadler