Dezent Avantgardistisches steht am Abend des 5. Mai auf dem Programm des Feierwerk. In der Kranhalle gastieren die finnischen Prog-Black-Metal-Stars Oranssi Pazuzu, begleitet von zwei weiteren spannenden Bandprojekten.
Värähtelijä, vielfach unter hochlobenden Begleitumständen gecopy-&-pasted, lautet der Name des Albums, das den Finnen vor wenigen Jahren zu internationalem (Genre-)Ruhm verhalf. 2020 legten sie mit Mestarin kynsi nach, und sind nun – endlich – auf Tour, um sich damit beim europäischen Publikum vorzustellen.
Den Anfang an diesem Abend vor einer noch recht spärlich gefüllten Kranhalle macht das norwegische Brüder-Duo Sturle Dagsland. Zu sehen und hören bekommt man hier einiges, alltäglich ist nichts davon. Sjur Dagsland kauert am linken Bühnenrand, über verschiedene elektronische Klangerzeuger gebeugt, Gitarre spielend, trompetend. Im Zentrum der Aufmerksamkeit aber steht der namensgebende Sturle, Sänger und Protagonist des gelebten Wahnsinns, der hier geboten wird. Im eng geschnittenen Kostüm mit Harlekin-artigen Kniestrümpfen springt der Mann umher, entringt er sich kehlig-tirilierende Gesangslaute, hetzt sich durch Sprechgesangspassagen, die vielleicht nicht mehr als bloße Klangketten sind, Beschwörungen in einer Sprache, die nur Sturle Dagsland selbst spricht. Wie die Red Hot Chili Peppers aus der Hölle klingen die beiden streckenweise und nachdem erste Berührungsängste überwunden sind, bekundet das Publikum nachdrücklich Sympathie für das Duo. Inwieweit der Zauber der Band auch jenseits der kurzweiligen Berückung vorhält, muss indes jeder am heimischen Vinyl selbst ausprobieren.
Als nächstes an der Reihe sind Deaf Kids aus Brasilien. Das Trio ist bekannt für seinen explosiven, treibenden Mix aus tribal-haften Rhythmen, gespeist aus Schlagzeug, Bongos und elektronischen Beats, und Hardcore-Elementen. Die Kranhalle füllt sich langsam, doch anfangs hat die Band mit nicht unerheblichen Startschwierigkeiten zu kämpfen. Enttäuschenderweise verpufft die Darbietung der Deaf Kids, die auf Platte so mitreißend sein kann, zunächst wirkungslos im Angesicht eines nur beiläufig beteiligten Publikums. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass München die erste Station dieser Tour ist. Nach und nach jedoch taut das Eis und das Geschehen wird dynamischer. Leider ist die Fahrt, einmal aufgenommen, auch bald wieder zu Ende: nach nur etwa 30 Minuten verabschieden sich Deaf Kids, die man wohl idealerweise an einem verschwitzten Sommernachmittag, am besten unter freiem Himmel erlebt, und die an diesem Abend, in diesem Kontext wohl nicht ihr volles Potential entfalten konnten.
Oranssi Pazuzu lassen nicht lange auf sich warten. Die Band bevölkert zu Fünfen – zu nicht weniger als drei Synthesizer-Racks – die Bühne. Nun geht es rund. Bandleader Juho Vanhanen (Gitarre, Gesang) und seine Mannen gehen konzentriert zu Werke, geben sich kaum ab mit allem Paramusikalischen. Man gleitet dahin, im Langboot auf schimmernden Synth-Arpeggios, man legt an einem Eiland an, wo geheimnisvolle Pilze wachsen und ausgesprochen psychedelische Festivitäten stattfinden – und wird dann wieder und immer wieder hineingezogen in einen wirbelnden dunklen Malstrom. Die Finnen bieten gelungenes Klangkino, das Konzert bleibt durchgehend ausnehmend unterhaltsam und auch hier nimmt man es mit Bedauern hin, als sich die Band nach einer kurzen, rabiaten Zugabe endgültig verabschiedet.
Bericht: Tobias Jehle