Samstag, strahlender Sonnenschein – was soll da schon schiefgehen? 1,5 Jahre nach dem eigentlich anberaumten Ersttermin beehren endlich OneRepublic wieder die bayerische Landeshauptstadt. Zuletzt waren 2014 hier für ein reguläres Konzert, damals zum Erfolgsalbum „Native“, mit dem sie zeitweise die wohl am häufigstem im Radio gespielte Band gewesen sind. Von „Apologize“ zum aktuellen TikTok-Erfolg „West Coast“ war es aber ein über 15 Jahre langer Weg, den Ryan Tedder und seine Mannen zurücklegen mussten – all das wurde am 14. Mai 2022 im ausverkauften Zenith gefeiert.
Zuvor durfte Alex Uhlmann um 20 Uhr das Münchner Publikum bespielen. Recht spontan hat er von seinem Glück erfahren, wie er erzählt, seine Band Planet Funk konnte er so kurzfristig nicht zusammentrommeln. Nun also ein Auszug seiner Solo-Songs und einige Band-Lieder aus der Büchse. Dass die beiden Dinge aber so gar nicht zusammenpassen zeigt, beweist auch das verwirrte Publikum, als Uhlmann nach zwei ruhigen Nummern am Klavier plötzlich zum DJ-Pult wechselt und Club-Beats aus den Boxen dröhnen. Das mag ja alles in seinen Formationen Sinn ergeben, aber erzeugt hier eher ein verwaschenes Set – zudem die Songs leider auch nicht allzu sehr zu überzeugen wissen. Höflichen Applaus spendet München dennoch nach 30 Minuten dem „Alleinunterhalter an Hochzeiten“, wie er selbstironisch feststellt.
Gewartet wird aber natürlich auf einen ganz anderen Act: OneRepublic. Die entern um 21 Uhr mit ordentlich großer Produktion die Bühne. Die große Überraschung setzt wohl gleich zu Beginn ein: sieben Musiker auf der Bühne, der Klang nicht zu vergleichen mit dem gerne einmal etwas überproduzierten Studio-Aufnahmen, die im Radio auf und ab laufen. Gleich zu Beginn „Kids“, ein doch recht elektronischer Song, punktet mit Soundwucht und spielerischem Können. Das gibt den Liedern einen so großen Mehrwert, dass selbst relativ unscheinbare Songs wie „Love Runs Out“ plötzlich zu absolut mitreißenden Krachern werden, die musikalisch verlängert werden. Den Höhepunkt erreicht das wohl bei „Counting Stars“, bei dem die Instrumentalisten mit kurzen Soli-Parts aus einem klassischen Radiohit ein Folkrock-Feuerwerk zünden.
Der Fokus des Abends liegt dabei auf zwei Instanzen: die ganz wunderbaren Streicher, sei es nur Violine oder auch im Zusammenspiel mit Violincello, und auf den Frontmann und Sänger, Ryan Tedder. Wer sich auf eine Autotune- und Playbackschlacht eingestellt hat, dürfte fast schon hinweggefegt werden von der extrem starken Live-Stimme von Tedder. Mit einem beachtlichen Stimmumfang und einer Kontrolle über Brust- und Kopfstimme, wie man sie nicht allzu oft auf der Bühne sieht, sorgt er mehrfach für begeisterte Jubelstürme im Publikum. Den besten Vergleich kann man immer dann ziehen, wenn er Stücke spielt, die Tedder für andere Künstler*innen geschrieben hat, aber doch gerne selbst einmal singen möchte – so schlägt er nicht nur schier problemlos das „Sucker“-Original der Jonas Brothers, sondern liefert eine Performance des Songs „Halo“ ab, der selbst Beyoncé zweitklassig aussehen lässt. Von seinen selbst interpretierten Songs bei OneRepublic gelingen durch starke Band-Arrangement und die mächtige Live-Stimme zudem fraglos deutlich stärkere Versionen als die der Studioaufnahmen. Alles andere als selbstverständlich im Pop.
Teilweise wirkt es so, als wäre da Max Martin auf Tour, wenn er denn singen könnte und eine Band hätte. Aber genau dieses Tourleben und die Anteilnehmen in der Musikindustrie ist vielleicht auch der Grund, weshalb OneRepublic und Tedder viel nahbarer und sympathischer wirken, als es ein Martin jemals könnte. Dabei ist es schier ein Wunder, wie er über all die Jahre so konstant am Puls der Zeit bleiben kann und auch den Sound der Band, aber auch den Sound unzähliger Pop-Künstler*innen weiterentwickelt. Die neueste Single „West Coast“ entspricht so sicherlich 100% dem aktuellen Zeitgeist, was auch die Beliebtheit auf TikTok beweist, wiederum „Stop And Stare“ – immer noch ein starkes Lied – im Jahr 2007 genau das gewesen ist, was die Leute hören wollten. Dabei gelingt aber dennoch der Spagat, nicht nur lieblos Trends hinterherzurennen, sondern auch Musik zu kreieren, die genug Wertigkeit hat, damit sie auch Jahre später funktioniert. Ein schönes Beispiel dafür ist der Breakthrough-Songs von OneRepublic: „Apologize“. Egal, ob 2007 oder 2022 – dieser Song entfaltet immer noch eine irrsinnige Wirkung auf das Publikum. So vergehen die 105 Minuten wahrlich im Fluge, als „If I Lose Myself Tonight“ das Ende des Abends einläutet. Doch nicht zu lange – eine Rückkehr nach Deutschland im kommenden Jahr soll es geben, wie Tedder erzählt. Dann auch mit einem neuen Album, dem mittlerweile sechstem.
Setlist: Kids / Good Life / Stop And Stare / Rescue Me / Secrets / Wherever I Go / Love Runs Out / Cover-Medley / Halo (Beyoncé Cover) / Lose Somebody / West Coast / Run / Sucker (Jonas Brothers Cover) / Sunshine / Apologize / I Lived – Zugaben: Counting Stars / Future Looks Good / If I Lose Myself Tonight
Bericht: Ludwig Stadler