Nach gerade einem Tag hatte sein erstes Lied „Baller los“ bereits eine Million Aufrufe, es stieg auf Anhieb auf Platz #1 der Single-Charts ein und erstellte damit einen neuen, vielbeachteten Rekord – mit der Debüt-Single sofort auf die Spitzenposition zu starten, das war zuvor noch nie passiert. Wer also steckt dahinter, wer ist dieser Mero, der die Rekorde erzielt? Der mittlerweile 19-jährige Enis Meral, gebürtiger Rüsselsheimer mit türkischen Wurzeln, positioniert sich hinter dem Künstlernamen und überzeugt dabei vor allem mit technischem Können und eingängigen Hooks. Das alles untermauerte er in den folgenden Alben „Ya Hero Ya Mero“ und „Unikat“, beide im Jahr 2019 erschienen. Nun geht es auf seine erste große Tour, die ihn auch nach München führt. Zwei Abende hintereinander hat er das Backstage Werk ausverkauft, am 10. Oktober 2019 sind wir vor Ort, um uns von dem Rapper selbst zu überzeugen.
Bereits vor Beginn überraschend strikte Absperrungen, Kontrolle von Muttizetteln und bereits zwei Stunden vor Konzertstart Einlass. Im Werk selbst dann absolut durchmischtes Publikum, einige Eltern mit Sicherheitsabstand im Hintergrund, zwar viele Minderjährige, aber weniger tatsächliche Kinder, wie oftmals der Musikrichtung vorgeworfen. Den erwartbaren Großteil machen allerdings die türkischstämmigen Besucher aus – kein Wunder, denn Mero ist stolz auf seine Wurzeln, thematisiert sie oft in seinen Liedern und versucht, eine große Familienbindung herzustellen. Die Anspannung ist also groß – so groß, dass ab 20 Uhr schon einmal vorsorglich mit dem Handy das ansprechende Bühnenbild abgefilmt wird, denn es könnte ja jeden Moment so weit sein – jeden Moment könnte er die Bühne stürmen, dann geht es los. Auf der Bühne selbst: DJ-Pult und drei überdimensional große Smartphones. Die starten mit einer gespielten Siri-Funktion. „Ich habe Sie nicht verstanden? Sagten Sie Mero?“ Großer Jubel. „Welchen Song soll ich von Mero abspielen?“ Wildes Gekreische. „Baller los von Mero wird abgespielt.“ Und dann steht er auch schon auf der Bühne.
Das durchaus sympathische Intro und der Handy-Fokus überraschen wenig, letztendlich sind sie das Fundament und der Auslöser für den Erfolg des Durchstarters. Ob es allerdings so erfüllend ist, wenn die Menge kollektiv und durchgehend ihr Handy hochhält, bleibt zweifelhaft – auf die Aufforderungen zum Springen reagiert der filmende Pulk kaum, Applaus gibt es nicht (wie auch, die Hände sind ja anderweitig beschäftigt), dafür lautstarkes Gekreisch. Was allerdings überrascht, ist die immense Textsicherheit, denn die Hooks werden fast schon so donnernd mitgesungen, dass der (wirklich laute) Boxensound problemlos übertönt wird. Mero hat das allerdings schon dementsprechend tricksend eingefädelt – die Refrains singt er nur stellenweise, im Hintergrund läuft eine leise Background-Stimme, der Rest gehört eben gefüllt – durch das Publikum. Gewagtes Unterfangen, aber es gelingt.
Die Frage, die sich aber letztendlich stellt: Wird Mero live seinem Hype gerecht? Die Antwort ist nicht allzu leicht, aber im Gesamten bleibt ein Ja. Seine vielbeachteten Doubletime-Strophen bringt er relativ pausenlos live, einzig sein Bruder Brado begleitet ihn als Backup, sonst ist er auf sich allein gestellt. Und trotz kränkelnder Lage (nach 45 Minuten siegt die Erkältung deutlich über seine Stimme) beweist er, dass ihm Technik, Flow und sichtliches Können auch live nicht fehlen. Seine Atemtechnik ist für sein junges Alter überraschend stark, das Auftreten selbst könnte mehr Abwechslung vertragen – der Ablauf ist schematisch. Ansage – Song – Knall am Ende. Unterbrochen wird das nur durch eine kleine Einlage, in der zwei junge Fans die Bühne – Mero nennt sie passend „Brüder“ – stürmen und sich ein Fußball-Kick-Wettbewerb liefern. „Egal, Versuch war’s wert“, sagt der Unterlegene ins Mikro.
Meros Konzert geht dann doch weit über den Versuch hinaus – in rund 70 Minuten gibt er 22 seiner Titel zum Besten, langweilig wird es nicht, ermüdend dann aber doch zum Ende hin. Die Fans haben absolut das bekommen, wofür sie bezahlt haben, der Künstler hat sich auch krank durch sein Set gerappt. Bleibt Mero seinem Kurs treu, zwar die üblichen Themen wie Geld, Familie oder Liebe anzusprechen, aber sich von unnötigen Beleidigungen gegen Minderheiten fernzuhalten, was Genre-Kollegen als Stilmittel empfinden, könnte er sich langfristig etablieren. Ob das alles in einer wirklich großen Liga funktioniert, kann man bei seinem kommenden Auftritt im Zenith am 18. April 2020 beobachten. Im Backstage Werk auf seiner ersten Tour hat es das allemal.
Setlist: Baller los / Mill’n / Hops / Wie Buffon / Hobby Hobby / Malediven / Träume werden wahr / Olé Olé / Steige ein (Brado song) / Money Money (Brado song) / Olabilir / Unikat / No Name / Mein Kopf / Meine Hand / Jay Jay / Panama Safe / Straße macht Ärger / QDH Family / Wolke 10 / Jay Jay – Zugabe: Baller los
Bericht: Ludwig Stadler