mOBSCENE – Marilyn Manson im Zenith (Bericht)

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Auf dem Weg von der U-Bahn zum Zenith stand ein abgedunkelter Van, aus dem lautstark „The Dope Show“ dröhnte; welche (sexuellen) Handlungen dort wohl gemacht wurden, konnte man anhand der Geräusche nur erahnen – wohin es die Insassen aber später hinziehen wird, war bereits klar: Marilyn Manson. Der Kult-Rockstar beehrte nach fünf Jahren einmal wieder die bayerische Landeshauptstadt, nämlich am 18. November 2017 im Zenith. Anlass dafür: das neue Album „Heaven Upside Down“, der Stand für das Konzert: ausverkauft, bereits Monate im Voraus. Auch Jahrzehnte nach den großen Hits sinkt das Interesse an der Ikone nicht, egal ob unsterblicher Fan oder „Muss man mal gesehen haben“-Konzertgänger.

Punkt 20 Uhr verdunkelte sich die Halle und eine Frau mit silbernen Haar kam auf die Bühne. Erst sehr kurzfristig wurde DJ Amazonica als Support-Act angekündigt und zurecht haben einige auf den sozialen Netzwerken darüber etwas verdutzt geschaut. Ein DJ als Vorband? Und das bei Manson? Die erste Erleichterung sollte aber schnell folgen: es wird Gitarrenmusik aufgelegt! In ihrem rund dreißigminütigen DJ-Set stürzte sich Amazonica vor allem auf die Klassiker: „Smells Like Teen Spirit“, „Killing In The Name Of“ und ein wenig AC/DC, was an diesem Tag natürlich besonders beklatscht wurde, denn wenige Stunden zuvor kam die Todesnachricht von Malcom Young.
Auch wenn sie gekonnt elektronische Elemente in die Musik einbaute und sich gelegentlich bemühte, die Stimmung zu steigern, wurde sie ziemlich vom Publikum ignoriert. Letztendlich muss man auch, so hart wie es klingt, gestehen, dass es im Prinzip wie die vorherige Hintergrundmusik war, nur ein wenig lauter. Das Publikum wollte aber Live-Musik und nicht noch mehr Büchsenmusik. Das hatte zur Folge, dass Amazonica zwar ihren Applaus bekam, lange aber nicht den Großteil der Halle mitreißen konnte.

Die nachfolgende Umbauzeit zog sich ewig, letztendlich, abzüglich der Eingangssongs, sollte das offizielle Intro auch erst um 21:15 Uhr beginnen. Immerhin ging dann alles recht flott, der Vorhang fiel und die ersten Töne zu „Revelation #12“ erklangen. Von Marilyn Manson selbst allerdings weit und breit keine Spur. Erst nach und nach entdeckte man hinter den Nebelschwaden einen elektrischen Rollstuhl, darin angekettet – Frontmann Manson himself. Ab dem Moment des Gitarren-Riffs war die ganze Halle nicht mehr zum Halten, es öffneten sich etliche Moshpits, der Kreischpegel stieg massiv an (das Publikum war zum Großteil weiblich und jünger). Eine gepflegte Eskalation ist also heute wie damals zu der Musik möglich – das folgende „This Is The New Shit“ sollte es noch einmal belegen.

Es ist kein Geheimnis, dass Manson Ende September ein Bühnenteil auf seinen Fuß fiel und er anschließend nicht nur ins Krankenhaus gebracht, sondern ebenso die gesamte, weitere US-Tour gecancelt werden musste. Am 05.11. stand er dann erstmals wieder auf der Bühne und mit dabei eine perfekt konzipierte Show, in der er seine Verletzung clever miteinband. Zwei seiner Stagehands wurden kurzerhand zu Krankenhelfern verkleidet und waren dafür zuständig, ihn in die verschiedensten Motive und Kostüme zu bringen. Egal, ob ein roter Schleier bei „SAY10“ oder eine Melone bei „mOBSCENE“ – die Kleinigkeiten bildeten Rahmen seiner Show, passten teilweise aber so gar nicht zur üblichen Rockstar-Aura des Sängers. Da er sich nur eingeschränkt bewegen konnte, konnte er dementsprechend auch keine großen Exzesse auf der Bühne vollführen, wenngleich er sein Mikrofon trotzdem etliche Male auf den Boden fallen ließen und gar über die ganze Bühne schmiss. Einzig und allein beim „Sweet Dreams“-Cover wälzte er sich auf Knien auf einem Krankenbett und stieß die besten Screams des Abends aus – besser hätte es ohne Verletzung auch nicht sein können.

Dass die Akustik im Zenith sehr bescheiden ist, ist wahrlich keine Neuigkeit. So hat auch dieses Mal der Sound, auch wenn er recht sauber abgemischt war, keinen Preis erhalten, letztendlich hat es zu viel gehallt, die Stimme war gelegentlich zu leise. Im Gegensatz zu vielen anderen Zenith-Konzerten aber definitiv eines der besseren Klangbildern.
Letztendlich dazu bei trug vor allem die starke Band. Die Gitarre spielte kräftig und pointiert, der Bass als Fundament unüberhörbar, die Drums gaben, glasklar abgemischt, sehr treibend die Geschwindigkeit an. Unmittelbar immer im Fokus: Manson.
Die Gesangsleistungen des Herrn sind umstritten. Oft heißt es, dass er nur gut sei, wenn er denn selbst gut drauf sei. Sollte man dieser Theorie Glauben schenken, dann war Manson mächtig gut drauf. Die cleanen Passagen deckten sich 1:1 mit denen des Albums, „Kill4Me“ glänzte so durch eine perfekte Leistung, auch die Screams, abgesehen vom Opener, sitzen astrein und können, wie bei „Sweet Dreams“, „Deep Six“ und „The Beautiful People“, absolut überzeugen. Vielleicht liegt es an der wenigen Bewegung, die Manson mehr auf den Gesang konzentrieren lassen, die oftmalige Kritik, er könne nicht mehr singen, konnte nach diesem Konzert jedenfalls nicht bestätigt werden.

Lohnt es sich eigentlich noch, sich über die kurze Spielzeit zu beschweren? Wahrscheinlich nicht, denn wirklich länger hat der Frontmann mit seiner Band sowieso nie gespielt. Auch dieses Mal war nach rund 75 Minuten Schluss, es gab zwar eine Zugabe, direkt danach ging Manson und kam auch nicht wieder. Davor brachte er allerdings ein wildes Sammelsurium von Liedern, die das Prinzip „Best-Of und neue Songs“ ganz gut wiederspiegelte, denn außer der Zugabe, „Cruci-Fiction In Space“, waren die restlichen Songs zu erwarten und wurden letztendlich auch von den Fans erwartet. Berechtigt, denn „The Beautiful People“ riss auch nach dem tausendsten Hören immer noch höllisch mit.
Als das Konzert um 22:30 Uhr zu Ende war und der Weg zurück Richtung U-Bahn ging, stritt ein Paar lautstark über das Konzert, bis sie letztendlich getrennte Wege gingen. Immerhin, Manson schafft es zu vereinen und auseinanderzutreiben.

Setlist: Revelation #12 / This Is The New Shit / Disposable Teens / mOBSCENE / Kill4Me / Deep Six / The Dope Show / 1° / Sweet Dreams (Are Made Of This) / Great Big White World / We Know Where You Fucking Live / SAY10 / The Beautiful PeopleZugabe: Cruci-Fiction In Space

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Fazit: Manson war wieder in der Stadt und die Jünger folgten ihm tausendfach. Die Wahl eines Rock- und Metal-DJs als Support fiel eher bescheiden aus, aber Marilyn Manson selbst konnte mit unerwartet guten gesanglichen Leistungen und seiner typisch arrogant-rotzigen Rockstar-Attitüde überzeugen. Die Setlist war mitreißend, die neuen Songs, vor allem „We Know Where You Fucking Live“, absolute Highlights. Es war ein kurzes, aber dennoch eindrucksvolles Erlebnis. Auch wenn vom Schock-Rocker das „Schock“ schon lange nicht mehr gilt – wie man eine ordentliche Rock- und Metal-Show abzieht, weiß Manson sehr wohl.

Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Ingo Höchsmann

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