Stand By Me – Liam Gallagher in der TonHalle (Konzertbericht)

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25 Jahre ist es mittlerweile her, dass „(What’s The Story?) Morning Glory“ erschienen ist und damit weltweit den Musikmarkt erobert hat. Oasis haben eine neue Welle des Brit-Rock begründet, frech und provokant, aber irgendwie auch massentauglich, und mit zwei Brüdern, die den damaligen Zeitgeist vollends getroffen haben. Eine harmonische Bruderliebe war das zwischen den Gallaghers aber nie, weshalb die Trennung vor über zehn Jahren kaum überraschend kam. Der Jüngere, Liam Gallagher, seinerzeit Frontmann und Aushängeschild der Band, ist nun seit wenigen Jahren solo unterwegs – und transportiert das Nostalgie-Gefühl wie kein anderer. Am 13. Februar 2020 in der TonHalle – restlos ausverkauft.

Man muss schon kurz zweimal hinsehen, aber natürlich ist es nicht eine verjüngte Version von Gallagher, die da die Bühne entert, sondern der Sänger von Twisted Wheel, passend als Look-A-Like des Hauptacts. Der Gag ist schnell erzählt, dennoch zieht Jonny Brown seine Imitation durch. Die Musik selbst präsentiert sich da natürlich deutlich eigenständiger, wenngleich passend zu den 90er-Werken der Britrock-Welle. Rotzig und punkig präsentieren sich Songs wie „You Stole The Sun“ und lassen die Menge erstmals ein wenig herumhüpfen – kein Vergleich zu dem, was folgen sollte. Dennoch: die junge Band mit immerhin doch bereits 13 Jahren Erfahrung ist nur konsequent als Einheizer, haben sie Oasis 2009 ja auf ihrem legendären Heaton Park-Konzert schon unterstützt. Gealtert sind die Musiker dabei gefühlt keine Minute – und die Musik auch nicht.

Die Anzahl von Briten in den vorderen Reihen ist überraschend – keine deutschsprachige Person hört man sprechen, nur einen Londoner oder Manchester Akzent, überall euphorische Engländer, die ihren Idolen hinterherreisen. „Munich 2020“ hat eine Gruppe als T-Shirt sich drucken lassen und präsentiert es stilecht als Trophäe. Verwunderlich ist das kaum, denn Liam Gallagher dürfte in München seine wohl kleinste aller Europa-Shows spielen. Die Halle ist, natürlich, ausverkauft, dennoch sind mit rund 2.200 Personen nur einen Bruchteil von den Besuchern in England vorhanden, selbst in Amsterdam bespielt er den Ziggo Dome, Pendant zur Münchner Olympiahalle. Als also „Rock’n’Roll Star“, der damalige Oasis-Opener und immer noch legendärer Konzertstart, durch die Boxen wummert, gibt es kein Halten mehr – Moshpit, Eskalation, Feier-Modus. Im hinteren Teil der TonHalle geht es freilich ruhiger zu, aber im ersten Drittel gleicht es der Euphorie, als wäre Deutschland mal wieder Fußball-Weltmeister. Während das eine aber mittlerweile utopisch ist, findet das andere statt. Ob es gerade Donnerstag ist und ein regulärer Arbeitstag ansteht, interessiert hier reichlich wenig.

Sein Übriges tut da die Musik. Natürlich spielt Gallagher unzählige Oasis-Nummern (zehn an der Zahl), aber eben auch seine Solo-Lieder – und die sind definitiv nicht zu verachten. Die oft belächelten, eigenständigen Gehversuche von Mitgliedern großer Gruppierungen fallen eigentlich jedes Mal deutlich im Vergleich ab, aber die beiden Alben „As You Were“ und „Why Me? Why Not“ fangen einen modernen Britrock-Stil ein, der gefällt und, im Gegensatz zu den psychodelischen Experimenten von Bruder Noel, auch deutlich besser zu den Klassikern und allgemein dem Oasis-Stil passt. Dennoch: als „Morning Glory“ angestimmt wird und Original-Oasis-Gitarrist Bonehad, der alle alten Klassiker an der Gitarre begleitet, in die Saiten greift, steigert sich das ganze noch einmal auf ein anderes Level. Liam Gallagher selbst ist gut bei Stimme, hat seine Erkältung auskuriert und scheint, soweit man das bei absoluter Nicht-Beleuchtung des Frontmanns beurteilen kann, auch gut gelaunt durch die Lieder zu streifen. „Niemand präsentiert das Nostalgie-Gefühl aktuell besser“, resümiert ein Fan nach dem Konzert – und durchaus, es fühlt sich so frisch wie am ersten Tag an. Nur dass die Hallen etwas kleiner sind. Und ohne Noel, er fehlt dann doch für das vollständige Erlebnis.

Setlist: Rock’n’Rol Star (Oasis) / Halo / Shockwave / Wall Of Glass / Come Back To Me / For What It’s Worth / Morning Glory (Oasis) / Stand By Me (Oasis) / Once / The River / Gas Panic! (Oasis) / Live Forever (Oasis)Zugaben 1: Acquiese (Oasis) / Roll With It (Oasis) / Supersonic (Oasis) / Champagne Supernova (Oasis) Zugabe 2: Cigarettes & Alcohol (Oasis)

Bericht: Ludwig Stadler