Ganz in schwarz kommt Julian auf die spärlich beleuchtete Bühne, legt sich die Gitarre um. Rufe und Gejohle schlägt ihm entgegen. Denn angekündigt ist der junge Mann als Faber und etwa 4000 Leute sind am Donnerstag, 28. Juni 2018, über das verschlammte Tollwood-Gelände zur Musik-Arena ge-gummi-stiefelt (das Wetter ließ nichts anderes zu), um das Konzert zu hören.
Also erhebt der Züricher seine rauchige Stimme; dass er mit nur 25 Jahren schon Töne aus seiner Kehle bringt, als hätte er sich 30 Jahre dem Whiskey verschrieben, kann nur an der frühen und intensiven Ausbildung als Sohn eines Musikers liegen. Dann wird das Licht heller wie der Sonnenaufgang an so einen regnerischen Tag. Die Fans können kaum die Füße still halten, vielleicht, weil es kalt ist, aber sicher nicht nur. Der Auftritt passend zur Attitüde, etwas Retro-Schick mit großen, goldgerahmten Spiegeln auf der Bühne – ein bisschen stylisch im Hemd (Goran Koč- Piano), ein bisschen flippig mit buntem Kimono (Tillmann Ostendarp), der Schlägzeuger fällt ohnehin auf, denn zugleich spielt er Posaune und Teil der Drums ist ein Tambourin.
„Jeder Winter träumt vom Schnee / Jede Theke träumt von einem Bier / Warum, du Nutte, träumst du nicht von mir?“- „Sei ein Faber im Wind“– Dafür, dass Faber sich gut und gern über Flittchen und Nutten auslässt, finden sich einige schmusende Paare und Schwangere im Publikum, das im Allgemeinen durchmischt ist. Ein paar Hippies, ein paar Indie-jünger, die eigentlich auf den Käptn warten, aber für das Geld jetzt auch die beide Acts mitnehmen, einige Leute, die direkt von der Arbeit kommen. Ein bisschen träumen von Paris, eine Portion Nazis-sind-blöd, ein bisschen Charme mit Casanova vereint. Die Band auf der Bühne repräsentiert die Texte kollektiv – Julian Pollina feiert sich nicht selbst ab – jeder einzelne Musiker legt sich ins Zeug und freut sich ehrlich über die Reaktionen der Zuschauer. Faber ist ein Liedermacher, bei dem wirklich alles zusammenpasst, seine Lyrics, die selbst gespielte Akustik-Gitarre und dass er beim Applaus zum Publikum sagt, „das ist aber lieb von euch“, als hätte gar nicht mit einer Reaktion gerechnet und dies sei kein Konzert, sondern eine Fußgängerzone. Aber da ist das Konzept Faber doch durchschaubar- ein bisschen frech, aber ja kein Sexist, schließlich finden wir Nazis scheiße. Ein bisschen politisch in „Paris brennen Autos“, in Zürich mein Kamin, aber nicht zu sehr, der nächste Song wird wieder die Verflossene beklagt, aber nicht zu schnulzig – selbst schuld, die dumme Bitch!
Das alles ist eine runde Sache, für die die Jungs mächtig Anerkennung bekommen. Auch die Technik klappt super, das Licht ist stimmig und überlegt eingesetzt, der Ton ist klar geregelt. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Kamera, welche auf drei Leinwände Bühnengeschehen überträgt. Die Bilder sind präzise ausgewählt und bieten dem Zuschauer eine alternative Wahrnehmung. So bilden die schwarz/weiß-Aufnahmen nicht lediglich vergrößert das ab, was vorn passiert, sondern bereichern die Betrachtung auch ungemein- bravo dafür, dass hier auch die ernst genommen werden, die weiter hinten stehen.
Doch dann der zweite Act, der schon mit Schreien begrüßt wird. Als er sich ankündigt, ist das Zelt plötzlich voller, die Luft ausgeatmeter.
Käptn Peng ist mittlerweile ein Name in der alternativen HipHop Szene, spielt schon seit Jahren auf Festivals, das eigene Label Kreismusik läuft rund und alle Fanartikel sind bio und fair gehandelt. An dieser Stelle seien alle Hüte gezogen, dass die Jungs sich den Stress mit dem eigenen Label geben, um unabhängig und kreativ zu bleiben! Kurz und gut, der Käptn, Bruder Shaban und die Tentakel von Delphi haben es geschafft! Philosophieren mit Beat, damit verdienen sie ihr Geld. „Ich glaube, der macht das heute nur aus Liebe zu seiner Musik„, sagt ein Konzertbesucher vorher zu seiner Begleiterin. Schon zu Anfang die Ernüchterung: Nein, so wie Robert Gwisdek an diesem Abend auf der Bühne steht, wird er wohl von sich aus nicht auf die Idee gekommen sein, vor 4000 Leuten auf- und ab zu hopsen, denn er wirkt unkonzentriert und angeschlagen. In den Parts von geflüstertem Wirrwarr bei gedämmtem Licht erscheint diese Art mystisch und passt zu den tiefgründigen Texten der Band. Bei beatlastigen Hits wird aus seinen Bewegungen aber die Monotonie aller HipHoper: lässiges Wippen in den gewinkelten Beinen, in einer Hand das Mikro, mit der anderen eine Kombination aus Zeige- und Schüttelgesten. Ganz anders Bruder Shaban. Der gibt volle Power; dass Robert etwas durch den Wind ist, fällt im Vergleich nur noch mehr auf.
Bei „Sie Mögen sich“ spielen die Gwisdek Brüder die Fuchstragödie mit Masken vor, die Fans kreischen, die Stimmung ist oben. Der Mann mit den komischen Kopfbedeckungen wird von seinen Fans gefeiert! Die klugen Texte, der Klamauk, die Liederauswahl bieten genau das, wofür die Band steht: Knüllpapier als Bühnenwand, Knüllpapier im Kopf. Statt einem „richtigen“ Drumset hängen auf der Bühne Backbleche und Glocken, stolz wird auch die neueste Errungenschaft vorgestellt- ein Casio KinderKeyboard! Damit werden neue Songs wie „MC HomoSapiensSapiens“ präsentiert, die das Publikum genauso feiert wie die Top-Hits „Sockosophie„. Diese Chaoten sind schon sehr liebenswert!
Direkt vor der Bühne geht außer Gedränge und Kopfgewippe leider nicht viel. Weiter am Rand wird angetanzt und ausgeflippt, leider sieht die Band davon nichts – nachdem Peng also aufgetaut ist, versucht er mit alle Kraft, das Münchner Publikum aus ihrer Reserve zu locken. Bei den heftigen Sprüngen, die er die ganze Zeit vollführt, hofft man, ein hauseigener Physiotherapeut begleitet die Tour. In den Ansagen zwischen den Songs ist der Frontmann dann wieder unkonzentriert, er wirkt abwesend. Anfangs der Verdacht – ist der bekifft oder blau? Als er später eine Pause braucht, wohl eher die Diagnose; er ist vermutlich angeschlagen oder krank. Die, nicht ganz so gut wie bei Faber, gezeigten Leinwandbilder verdeutlichen, wie mager der 34-Jährige ist, beim Ende des Konzertes fragt man sich, ob er eine Zugabe überhaupt schafft. Tut er! Trotz eingeschränkter Bühnenpräsenz gibt er alles, was er kann, brüllt, flüstert, witzelt, säuselt. Von anderen Konzerten hört man, dass der Mann komplett ausrastet und das Publikum auf Festivals den ganzen Ablauf verschiebt, weil wieder und wieder Zugaben gespielt werden. Das Potential dazu haben Käptn Peng und die Tentakel von Delphi, leider war so viel gestern nicht drin. Da bleibt nur eins: Gute Besserung wünschen!
Bericht: Jana Taendler