Es ist zwar weder Juli noch irgendwann im November, aber die seit über zwei Jahrzehnten erfolgreiche Deutschpop-Band Juli hat sich dennoch auf Tour begeben und peilt dazu auch die bayerische Landeshauptstadt an. Der erste Versuch im Mai musste wenige Stunden vor Showbeginn wegen Krankheit seitens der Band abgesagt werden, nun findet am 11. Juni 2023 im randvollen Ampere das Nachholkonzert statt. Es ist die erste Tour seit sehr langer Zeit, passend zum neuen Album „Der Sommer ist vorbei“, welches ebenso das erste neue Material seit knapp zehn Jahren ist. Die Vorfreude ist also riesig.
Doch zu Beginn bespielt Lophelia überraschend früh um 19 Uhr das Münchner Publikum. Der Musiker aus Gießen – ebenso wie sein ihn begleitender Schlagzeuger, der die vergangenen drei Tage mit dem Fahrrad nach München gekommen ist, und der Hauptact selbst – versucht sich an allerlei deutschen und englischen Liedern in sehr ruhig-entspannter Atmosphäre, leicht mit Keyboard und Percussion begleitet. Die Stimme ist vor allem zu Beginn fast durchgehend in der Kopfstimme, was ungewöhnlich, aber allein dadurch aufmerksamkeitserregend ist. Mit seinem Cover von Cluesos „Gewinner“ erreicht dann aber auch die Münchner Herzen und schließt mit wohlwollendem Jubel seinen rund 25-minütigen Auftritt ab – natürlich mit seiner Version von „Der Sommer ist vorbei“.
Juli besingen da erst einmal „Fette wilde Jahre“, als sie um 20 Uhr loslegen – die sind zwar vorbei, aber ihre Freude, Konzerte zu spielen, erwacht nun wieder so richtig zum Leben. Die fünfköpfige Gruppe ist bestens aufgelegt, Frontfrau Eva Briegel grinst die ganze Zeit hindurch wie ein Honigkuchenpferd, völlig euphorisiert und glücklich darüber, ihre Bandhistorie und diese unsterblichen Lieder auf der Bühne darbieten zu können. Natürlich liegt der Fokus auf den neuen Werken – und das ist auch absolut fein so, denn ihr neuestes Album ist grandios und fängt ihren eigenen Sound bestens ein, ohne sich plump zu kopieren. Klar, ganz so rockig wie die ersten beiden Alben ist das nun zwar nicht mehr, aber grade bei Konzerten ist das auch weniger nötig, kann man dafür doch auch einfach die alten Werke spielen.
Das machen Juli auch zu genüge, sogar die eine oder andere Rarität findet seinen Platz in der Setlist. Da wäre beispielsweise „Anders“ aus ihrem Debüt, eine fetzige Nummer darüber, dass das besungene Du die Individualität und den Biss verloren habe. Dazu könne man einen Moshpit machen, wird noch auf der Bühne gescherzt – doch einige Besucher*innen lassen sich das nicht zweimal sagen und starten den wohl friedlichsten, glücklichsten und am wenigsten das Umfeld störenden Moshpit, den München je gesehen hat. Der wird auch bei „Wir beide“, „Irgendwann“ und selbstverständlich „Perfekte Welle“ noch einmal reaktiviert. Es ist einfach pure Lebensfreude, die von der Bühne ins Publikum schwappt – und das, obwohl Juli durchaus reichlich Melancholie versprühen. Aber die Positivität, den Optimismus, den haben sie in all ihren Liedern und absolut nicht verloren. Mit „Regen und Meer“ schließt das Konzert dann nach ordentlich 110 Minuten ab. Wir lieben dieses Leben und den Moment, in dem man fällt – aber ganz besonders die Zeit auf diesem wundervollen Konzert. Danke!
Setlist: Fette wilde Jahre / Elektrisches Gefühl / Traurige Lieder / Insel / Der Sommer ist vorbei / Fahrrad / November / Die besten Dinge / Geile Zeit / Anders / Zerrissen / In unseren Händen / Wolke / Dieses Leben / Gehen oder bleiben / Irgendwann / Perfekte Welle / Wir beide – Zugaben: 2004 / Regen und Meer
Bericht: Ludwig Stadler