Jason Derulo ist in der Stadt! Zugegeben, irgendwie genießt er nicht den Status der ganz Großen wie Beyoncé, Robbie Williams und Rihanna – und dennoch ist er ein Popstar der allerersten Liga, betrachtet man seine Diskografie. Unzählige Hits und goldene Schallplatten, selbst in Deutschland entert der Song „Talk Dirty“ einmal die Spitze der Single-Charts, unzählige weitere Werke positionieren sich in den Top 5. So ist es wenig verwunderlich, dass der amerikanische Sänger direkt in die Olympiahalle wandert, als er am 21. Oktober 2018 München besucht. Nachdem sein eigentliches Konzert Anfang März verschoben werden musste, steht dem perfekten Dancepop-Abend nichts mehr im Weg.
Etwas arg leer ist die Olympiahalle noch, als um 19:30 Uhr bereits das erste Mal unerwartet das Licht erlischt. Glücklicherweise ändert sich das noch merklich bis zum Hauptact des Abends. LZ7 nennt sich der Rapper, der irgendwie versucht, die Menge anzuheizen, aber das mit seinem prinzipiell soliden Mix aus EDM und radiotauglichen Melodien nicht so Recht schaffen will. Dennoch, der Brite bleibt professionell, spielt sich durch seine halbe Stunde und hinterlässt etwas ungeachtet seine fast unsichtbaren Spuren an dem Abend. In einer anderen Halle, in einem anderen Setting sicherlich gewinnbringend, hier allerdings leider kein allzu großer Erfolg.
Was nun allerdings folgen sollte, geht an jegliche Grenzen des guten Geschmacks. Vollkommen unangekündigt gibt es noch eine weitere Vorband, die um 20:15 Uhr ihr Unwesen treiben darf. Marcus & Martinus prangert da groß am Bildschirm, und informiert man sich einmal im Internet, stolpert man schnell über die norwegischen Zwillingsbrüder. Im skandinavischen Raum sind die erst 16-jährigen Jungs bereits seit 2012 absolute Superstars, hier in Deutschland ist davon noch nicht allzu viel angekommen. Beobachtet man ihren Auftritt mit den etwas überforderten Background-Tänzerinnen und der motivierten, aber nicht allzu tighten Band, kann man sich bereits langsam fragen, wieso eigentlich. Muss man sich aber durch knapp 30 Minuten der seelenlosen Pop-Lieder schlagen, die im herzerwärmenden Gesangs-Playback vorgegaukelt werden, bleibt nur noch Unverständnis für jeglichen Erfolg. „Dieser Kindergarten auf der Bühne toppt grad alles“, schreibt uns eine Bekannte in der stehenden Menge. Das lassen wir einfach mal so stehen.
Setlist: Girls / Remind Me / Invited / Make You Believe In Love / Please Don’t Go / Lie To You / One Flight Away
Als wäre all das noch nicht genug, beginnt um kurz nach 21 Uhr der DJ Jae Murphy mit seinen teils leicht bearbeiteten Versionen bekannter Lieder, teils schlicht Radio-Songs, vollkommen unbearbeitet. Zwar brüllt er alle paar Minuten, ob man sich auf Jason Derulo freuen würde, aber anstatt die Show tatsächlich beginnen zu lassen, lässt er lieber noch ein paar Club-Dauerbrenner laufen. Um exakt 21:25 Uhr hat man all die Eskapaden überstanden, der Timer ist abgelaufen und man mag es kaum glauben, aber dann steht er doch endlich persönlich, himself, in voller Pracht und noch innerhalb des ersten Songs oberkörperfrei auf der Bühne: Jason Derulo. Der Kreischpegel steigt ordentlich, als „Whatcha Say“ als Opener aus den Boxen erklingt, gespielt von seiner mehrköpfigen Band, bestehend aus DJ-Pult, Drumset, Bass, Gitarre, Keyboard und Background-Gesang. Seine talentierten Musiker sind es auch, die die musikalische Gestaltung überraschend stark und authentisch klingen lassen, nicht wie mancher doch zu plastischer Song des Songwriters. Die Background-Tänzer und die riesige LED-Leinwand erfüllen ihren Zweck der klischeehaften Groß-Produktion – und die ist letztendlich auch geboten, vor allem für einen wahnsinnig fairen Ticket-Preis. Tolle Lichtshow, guter Sound, wunderbare Performance – alles glattgebügelt, wie zu erwarten.
Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass Jason Derulo wirklich einiges vorzuweisen hat. Er singt vollkommen live, ganz im Gegensatz zu vielen seiner Kolleginnen und Kollegen, nutzt außerdem einige Acapella-Momente für Gesangsolos und tanzt sich ansonsten durch seine 90-minütige Powershow. Bei Liedern wie „If I’m Lucky“ lässt er bewusst die Studio-Aufnahme laufen und tanzt dafür sehr ausgelassen und schnell zu dem Lied, macht sich aber angenehmerweise auch gar nicht erst die Mühe zum Lipsync, indem er weder Headset und Mikro dabei hat. Ansonsten kann seine Leistung durchaus als wirklich stark angesehen werden, selbst hohe Töne trifft er mühelos. Etwas traurig eigentlich, dass eine so starke, hohe Funk- und Soul-Stimme ein wenig im eintönigen Dance-Einheitsbrei untergeht. Aber Derulo schreibt all seine Lieder selbst und hat den Weg eigenständig eingeschlagen – er ist, und das wohl in jeder Hinsicht, seines eigenen Glückes Schmied. Das ist natürlich auch das Publikum, das mit dem Besuch des Konzerts erst einmal sicher eine gute Wahl getroffen hat. Ignoriert man mal das doch sehr gewöhnungsbedürftige Vorprogramm, bleibt eine starke Show mit einem Künstler in Höchstform, der jedem Besucher genau das gibt, was er erwartet: ein tolles Erlebnis mit vielen Eindrücken. Ein mehr als zufriedenstellender Abend.
Setlist: Whatcha Say / Tip Toe / Don’t Wanna Go Home / Wiggle / Trumpets / Make Up / In My Head / Let Me Be The One / Get Ugly / Marry Me / Secret Love Song / It-Girl / Ridin‘ Solo / Goodbye / If I’m Lucky / Cheyenne / Swalla / Breathing / Colors / The Other Side / Talk Dirty / Want To Want Me
Bericht: Ludwig Stadler