Sie schreibe, hat sie vor einigen Jahren in einem Interview erzählt, immer ein deutsches und schweizerisches Programm. Das hat sich in den letzten Monaten, in denen Auftritte in der Schweiz wieder deutlich lockerer möglich waren, während in Deutschland noch vor Autos Pointen gerissen wurden, deutlich ausgezahlt. Hazel Brugger, ehemals Poetry Slammerin, mittlerweile erfolgreiche Stand-Up-Comedian und fleißige Reporterin der „heute Show“ im ZDF, hat es aber nun auch in deutschen Gefilden geschafft: endlich wieder vor echtem Publikum. Gleich dreimal tritt sie beim Eulenspiegel Flying Circus auf, im Innenhof des Deutschen Museums. Der Mittel-Termin am 7. September steht zwar nicht auf dem Werbeplakat, aber die Besucher finden sich dennoch äußerst zahlreich ein.
Zuvor darf Bruggers Mitbewohner und heute Show-Mitarbeiter Thomas Spitzer die Menge zehn Minuten einheizen und ein wenig über seine Dorf-Heimat erzählen. Das ist witzig, spritzig, kurzweilig und hätte ruhig noch länger gehen können. „Aber ich weiß, ihr habt alle viel Geld bezahlt, um mich nicht zu sehen“. Und so kommt Hazel pünktlich zur Primetime auf die Bühne und wird erstmal – stehend – frenetisch bejubelt. „Danke für den Stehempfang, aber ich glaub, das war jetzt so ein bisschen illegal“. Um Grenzen scherrt sich die gebürtige Schweizerin aber sowieso nicht. Ihr Humor geht nie unter die Gürtellinie, aber erreicht viele Male ein tiefschwarzes Niveau, das man mögen und verkraften muss. Wenn sie über Verhütungsspiralen und deren Wirkung erzählt, ertönen nicht nur einmal verschmitzte „Oho“s. Aber dafür kommen die Zuschauer, das zeichnet sie gewissermaßen eben auch aus.
Trotzdem hält Brugger alles in Balance. Insgesamt umgeht sie das Thema Corona recht weitläufig und widmet sich tatsächlich ihrem zweiten Solo-Programm „Tropical“, das vor allem viel über ihre Familie enthält – sei es die Beziehung zu ihren Brüdern, eigenwillige Maßnahmen der Eltern, die nur so viel Fernsehzeit erlauben wie man Bücher gelesen hat, oder die immer wieder erwähnte Tatsache, dass Bruggers Mutter nun wahrlich nicht die geborene Köchin ist. Besonders witzig ist ihr Block über die ehemalige Fernsehsendung „Wetten, dass…“ und das oft komische Verhältnis von Hollywoodstars zu dubiosen Wettkandidaten, die vor allem mit Krudness auffallen. Aber auch die Diskussion über die Besetzung eines weiblichen James Bonds wird aufgegriffen. Und die Versuche, eine Gans für eine YouTube-Talkshow zu mieten.
Wer für Systemkritik gekommen sei, stellt sie inmitten des Programms klar, ist heute falsch. Systemkritik könne man auch zuhause üben. Aber natürlich wirft sie doch noch einen kleinen Diskurs über die Begriffe „Respekt“ und „Toleranz“ ein, wobei für sie „Respekt“ das deutlich gewichtigere Wort ist. „Ehrliche Toleranz ist mehr wert als gespielter Respekt“. Nach rund 80 Minuten verabschiedet sich Hazel Brugger sichtlich glücklich unter Jubel von der Bühne, nicht ohne noch einen Kommentar zu den Auftritten vor Menschen zu bringen, der sich einbrennt: „Ich fühl mich ein Blindenhund, der endlich wieder einen Blinden hat, den er rumführen kann. Ich kann zwar nur Graustufen sehen, aber es ist so die beste Lösung, die einem bisher eingefallen ist.“ Arg viel mehr gibt es da nicht mehr zu sagen. Danke!
Bericht: Ludwig Stadler