Bereits zum zweiten Mal haben sich Hämatom dazu entschieden, auf kleine Release-Tour direkt zum Album-Erscheinen zu gehen. Nachdem sie schon bei „Wir sind Gott“ (2016) im April 2016 das Technikum aufsuchten, war dieses Mal beim neuesten Machwerk „Bestie der Freiheit“ München Tourstart und sogar einen Tag vor Album-Release. Denn am 25. Januar 2018 sollte im Backstage Werk ein immens heißes Ereignis warten: die Flecken spielen wieder auf, mit dabei: die NDH-Mannen von Heldmaschine.
Um etwa 20:05 Uhr war es eben auch Heldmaschine, die die Bühne enterten und gleich mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums, „Himmelskörper“, loslegten. München und Heldmaschine – bisher scheiterten die meisten Versuche, so richtig Fuß zu fassen in der bayerischen Landeshauptstadt, im Oktober letztens Jahres musste der Auftritt in Olching bei München sogar abgesagt werden. Aber so leicht geben die Musiker nicht auf, denn neben ihrer Support-Show bei Hämatom werden sie Anfang März als Special Guest beim Maerzfeld-Konzert wieder ins Backstage kommen; dann allerdings im etwas kleineren Rahmen in der Backstage Halle.
Die Formation um Sänger René Anlauff konnte die Menge in jedem Fall ordentlich aufmischen, wenngleich der Beginn der Setlist mit den ersten drei doch eher arg langgezogenen Liedern schwer war. So richtig warm wurde das Publikum aber allemal beim Song „R“, der humoristisch mit dem oftmaligen Vorwurfs des R-Rollens umgeht. Klar, man könnte den Herrschaften massive Ähnlichkeit zu Rammstein vorwerfen, wie es gefühlt alle tun, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Musik ordentlich ist und die Refrains eingängig sind. Einziges Manko: „Wer einmal lügt“ sollte Pflichtprogramm sein, auch bei einer Support-Show. Dennoch: mit „Weiter!“ fand der Auftritt ein gutes Ende.
Setlist: Himmelskörper / Gegenwind / Die Maschine spricht / R / Collateral / Radioaktiv / Weiter!
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Dass das inzwischen doch sehr ordentlich gefüllte Werk den Beginn von Hämatom um etwa 21:05 Uhr schon sehnsüchtig herbeigesehnt hat, hörte man sofort beim lautstarken Jubel, als mit „Zeit für neue Hymnen“ der Vorhang fiel und der Blick auf die Bühne frei wurde. Die erste Reaktion: Ernüchterung. Das gesamte Bühnenbild ist reichlich unspektakulär, die fantastischen, beweglichen Leinwand-Screens der letzten Tour wurden durch ziemlich amateurhaft befestigte Leinwandstoffe ersetzt, die leider keinen einzigen Effekt erzeugen konnten und in der massiv grellen und nie wirklich begeisternden Lichtshow absolut untergingen. Es wirkte ein bisschen so, als wolle man eine Produktion ordentlich auf Sparflamme starten – das mag gelegentlich gelingen, hier hat es seinen Effekt in jedem Fall nicht erreicht.
Dabei haben die Musiker weiterhin attraktive und auch kreative Ideen. Klar, kleine Pyro-Effekte bei „All U Need Is Love“ und dem Marteria-Cover „Kids (2 Finger an den Kopf)“ wurden kurzerhand übernommen, aber man wartete auch mit neuen Spielereien auf, beispielsweise mit einem elektrischen Stuhl beim unfassbar brachialen „Mörder“ oder kleinen Vulkanen an der Hand bei „Lichterloh“. Auch das Anfangsbild mit Sänger Nord im Käfig war eindrucksvoll, löste mit der Zeit aber mehr Stirnrunzeln als Begeisterung aus. Auch die T-Shirt-Kanone kam wieder zum Einsatz, dieses Mal bei „Schutt und Asche“ – und klar, keine Frage, solche Einlagen muss man auch einfach nicht herausnehmen, denn sie funktionieren immer wieder bestens und bringen weiterhin das Publikum zum Staunen, wenn die T-Shirts durch die Halle geschossen kommen. Dieses Mal gab es übrigens auch endlich einen brennenden Zipfel an der Maske von Bassist West – manche Male musste dieser aus Brandschutzgründen in München pausieren.
Trotz allem scheitern Hämatom am vielleicht wichtigsten Punkt: der Setlist. Insgesamt war es einfach mehr eine „Wir sind Gott“-Show als eine Show zum neuesten Album – die Lieder des bisher erfolgreichsten Albums der Band waren auch mit sieben Stücken in der Überzahl. Ohne Frage, das Album war zurecht ein Erfolg, aber betrachtet man die Liederauswahl, liest es sich wie absolute Stagnation. Gefühlt jeder Lückenfüller wie „Ikarus Erben“ und „Feuerwasser“ wanderte in die Liederabfolge, anstatt einmal eine kreative Neuentdeckung zu bieten. Die Chance, auch ältere Perlen zu präsentieren, wie es viele Bands bei neuen Touren nutzen, lassen sie vollkommen verfliegen; abgesehen von den üblichen Pflicht-Songs „Eva“ und „Leck mich!“, wartet man auch vergeblich auf andere Lieder der ersten beiden Alben. Ein größerer Querschnitt, das heißt ja nicht unbedingt den „Butzemann“ aus 2005 wieder auszubuddeln (wobei auch das eine Idee wäre), aber zumindest seltener gespielte Perlen, eventuell auch Live-Premieren einzustreuen, als maßlos totgespielte Stücke wie „Seelenpiraten“ ihrem Zombie-Dasein weiterhin Platz zu geben. Beim ersten Konzertbesuch sicher wunderbar, aber die teilweise arg belanglose und vorhersehbare Liedauswahl vermied daher leider keine gelegentlichen Durchhänger.
Die Performance war stark wie eh und je – was soll man sich denn auch großartig bei satten 105 Minuten Spielzeit beschweren? Hämatom lieferten in gekonnter Live-Qualität ab und das Publikum sog jedes Wort in sich auf. Der schönste Moment des Abends dürfte wohl bei „Wir sind Gott“, der ersten Zugabe, ein crowdsurfender Rolli-Fahrer gewesen sein, der von den Fans einmal bis ganz nach vorne getragen wurde, um dort mit Sänger Nord abzuschlagen; im Anschluss ging es den gleichen Weg wieder zurück. Tolle Aktion der rücksichtsvollen Fans!
Setlist: Zeit für neue Hymnen / Mein Leben – meine Regeln / Sturm / Tanz aus der Reihe / Säulen des Wahnsinns / Warum kann ich nicht glücklich sein? / Ikarus Erben / Feuerwasser / Lange nicht perfekt / Fick das System / Schutt und Asche / Lichterloh / Seelenpiraten / Made in Germany / Mörder / All U Need Is Love / Totgesagt doch neugeboren – Teil 2 / Alte Liebe rostet nicht / Kids (Marteria Cover) – Zugaben: Wir sind Gott / Eva / Leck mich!
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Fazit: Heldmaschine heizten den Abend ordentlich ein, was man an der höllischen Temperatur beim Hämatom-Auftritt bemerken konnte. Die lieferten eine gewohnt gute Performance ab, die dem Publikum sichtlich gefiel. Insgesamt strotzte die Setlist aber von Stagnation und ziemlicher Belang- und Einfallslosigkeit, hier wäre etwas mehr Variation gefragt. Die Show selbst erwies sich als wesentlich schlechter als beim Vorgänger-Auftritt 2016 im Technikum. Von einem schlechten Konzert zu reden, davon kann niemals die Rede sein, aber von einem legendären Auftritt waren Hämatom, vor allem im Gegensatz zum letzten Besuch, meilenweit entfernt.
Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Ronja Bierbaum
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