Unglaube. Eine Emotion, die auf den dutzenden Konzerten der letzten Jahre selten aufkam. Was aber am Samstag im Circus Krone passiert ist, lies den Autor dieses Textes ungläubig und bewegt zurück. Ein großer Abend.
Eröffnet wurde im Circus von Nina Hynes, einem quirligen Dubliner Original, deren experimenteller, träumerischer Sound leider ein wenig unterging. Von Wellenrauschen unterlegte Töne konnten im geschäftigen Treiben des sich langsam füllenden Saals die Aufmerksamkeit des Publikums nur teilweise erregen, hatten für den, der hören wollte, aber durchaus seinen Charm.
Dann betrat Glen Hansard die Bühne, und mit ihm seine siebenköpfige Band. Der infernalische „Lärm“ in Form eines dichten Soundteppichs, der das Publikum kurz darauf in seine Sitze drückte, fühlte sich in etwa so an, als wäre mitten im Saal ein Gewittersturm explodiert. Dieser erste Song „I’ll Be You, Be Me“ trägt schon in der Studienfassung viel Energie. Was die Band virtuos an einer Vielzahl unterschiedlicher Instrumente und Glen Hansards ekstatische, teils geradezu animalische Stimme daraus allerdings machten, war ein fast acht Minuten andauerndes und atemberaubendes Opus. Münder gingen auf und sollten erst weit in den Abend hinein wieder geschlossen werden.
Dass ein solcher Moment emotionaler Intensität und musikalischer Exzellenz nicht Höhepunkt des Abends war, sondern nur Vorbote dessen, was noch kommen würde, lässt erahnen, auch welche Reise Hansard sein Publikum an diesem fast zweieinhalb Stunden dauernden Abend mitnimmt.
Und während er nun Song nach Song spielt, mal mit der Gewalt des ganzen Ensembles, mal nur mit seiner Gitarre, fragt man sich unweigerlich, wie es ihm möglich ist, eine solche Show mehr als zweimal im Jahr durchzustehen. Die gesangliche Leistung, die Glen Hansard seiner Stimme seit vielen Jahrzehnten abverlangt, hätte so manchen wohl nach einem Jahr in die Knie gezwungen.
Hansard singt, als hätte er jeden seiner Texte in Blut geschrieben. Als hinge sein Leben davon ab. Die emotionale Wirkung ist beeindruckend. Der Knoten im Magen, das Herz schlägt zum Hals. Tränenfeuchte Augen paaren sich im Saal mit seligem Lächeln.
Seinen Musikern schenkt Hansard zu Recht viel Platz und Zeit. Viele Song werden auf sechs bis zehn Minuten gestreckt, wenn einer der Solisten sein mächtiges Solo durch die Reihen sendet. Das alles fühlt sich so energetisch an, dass man das Gefühl nicht loswird, Teil von etwas Großem zu sein. Musikgeschichte zu erleben in einem Augenblick, in dem die Musik so mächtig und magisch ist, wie sie es nur sein kann. Das Publikum schenkt Zwischenapplaus für Stimme und Instrument, und es fühlt sich nicht an wie ein Lob, sondern als würde der Applaus aus den Menschen herausbrechen in Momenten der ungläubigen Ekstase geachtet dessen, was vor ihren Augen geschieht.
Glen Hansard experimentiert mit seinem Sound. Dabei kommen auch ungewöhnliche Projekte auf die Bühne, wie ein siebenminütiger, gleichsam an Bob Dylan und Greta Thunberg gewidmeter türkischer Folklore-Pop Hybrid. Das mag nicht jederfraus und -manns Sache sein, es wird aber so hervorragend vorgetragen, dass darüber problemlos hinwegzusehen ist. Größtenteils spielt Hansard die Songs seines aktuellen Werks „This Wild Willing“.
„Grace Beneath The Pines“ singt Hansard ohne Mikrofon, erst a-capella, dann von einem leisen Piano begleitet. Seine Stimme trägt klar, mächtig und verletzlich bis in die letzten Reihen. Momente zum Augenschließen. Kein Handy ist in diesem Moment zu sehen. Mehr kann zu diesem Moment nicht gesagt werden.
Am Ende dieses Abends bleibt nur Dankbarkeit für Momente, die sich einbrennen werden in Erinnerung und Herz. Dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Dafür, dass gute Musik nie sterben wird.
Danke, Mr. Hansard, vielen Dank. Und kommen Sie bald wieder.
Setlist: I’ll Be You, Be Me / The Moon / My Little Ruin / When Your Mind’s Made Up / Bird of Sorrow / Winning Streak / The Closing Door / Race to the Bottom / Didn’t He Ramble / Leave a Light / Brother’s Keeper / Way Back in the Way Back When / Grace Beneath the Pines / Falling Slowly / Lowly / Deserter / Her Mercy / Fitzcarraldo / Fool’s Game / Song of Good Hope / The World / Good Life of Song / Dream Baby Dream
Bericht: Paul Walschburger