Fragt man die Generation X, also die Generation vor den Boomern, wer denn girl in red sei, bekommt man wohl nur fragende Blicke zugeworfen. Anders mag es vielleicht bei denen laufen, die Eltern sind, denn in der Generation Z und Alpha ist sie vielleicht die Durchstarterin der letzten Jahre: Marie Ulven, norwegische Musikerin. 2017 begann sie, eigene Lieder unter ihrem Pseudonym girl in red auf Soundcloud zu veröffentlichen, was nicht wenige begeistert hat und schlussendlich mit „I Wanna Be Your Girlfriend“ auch in einem waschechten Hit mündete. Seitdem ist viel passiert, ihre ungekünstelte und ehrliche Popmusik zwischen Bedroom, Indie und Rock spricht die U18-Generation an und sorgt längst für ausverkaufte Hallen. Auf ihrer „Doing It Again“-Tour macht sie, nach ihrem Gastspiel auf dem Superbloom 2022, den sie während ihrer Betonungen, das erste Mal in München zu sein, wohl vergessen hat, in München Halt und kommt am 18. September 2024 ins Zenith.
Zum Beginn um 20 Uhr erstrahlt erst einmal der Name von Nieve Ella auf der Leinwand. Die britische Sängerin kommt mit kompletter Band und sorgt für einen intensiven Indie-Poprock, der mal den Pop wie in „Car Park“, dann aber auch deutlich den Rock wie in „Gianni Top (She Gets What She Needs)“ hervorhebt. Das Publikum ist dankbar, dennoch etwas verhalten. Im Laufe ihres halbstündigen Auftritts verflüchtigt sich allerdings jegliche Anfangsdistanz und spätestens beim abschließenden „Sugarcoated“ gibt es fleißig Applaus für einen passenden musikalischen Start in den Abend.
Setlist: Girlfriend / The Things We Say / Sweet Nothings / Car Park / His Sofa / Ganni Top (She Gets What She Needs) / Sugarcoated
Wie gut die E-Gitarrenlastigkeit von Nieve Ella tatsächlich gepasst hat, zeigt sich schon während der ersten Songs von girl in red, denn ihr Kurs ist überraschend, aber klar: laut, rockig, mitreißend. Passend dazu stürmt Marie Ulven mit ihrer fünfköpfigen Band die Bühne und bringt ihren Hit „Bad Idea“ sofort nach dem tanzbaren Opener „Doing It Again, Baby“, zugleich Album- und Tourtitel. Die Freude beim sehr weiblichen, sehr queeren und auch sehr jungem Publikum ist sofort spürbar, Ulven hat die Münchner*innen von Beginn auf ihrer Seite und verliert sie nicht eine Sekunde durch eine schnelle, stark strukturierte Setlist. Was auf den Alben noch verträumt, zurückhaltend, sanft wirkt, entfaltet sich auf der Bühne zu waschechten Rocknummern. Ein Popstar-Image, das man ihr gerne zu schreibt, zu beweisen hat die Norwegerin sowieso nicht. Gerade weil sie eine Art Anti-Popstar der Gen-Z ist, hat sie bereits als Support auf der „Eras“-Tour von Taylor Swift gespielt, oder unlängst das Red Rocks Amphitheatre bespielt.
Wäre es ein rein musikalisches Feuer, welches die 29-Jährige zündet, würde es schon beseelt zufriedenstellen. Zudem wirft sie aber immer wieder entwaffnend sympathische Ansagen ein, versucht sich an ihren Deutschkenntnissen und sinniert darüber, dass ihre Shows und sie wohl ein wahrer „lesbian magnet“ seien. Mit ihrer Homosexualität als auch ihren mentalen Probleme geht Ulven offen um, gerade dieser grundehrliche Ansatz macht sie so nahbar, so greifbar, so bedeutend für Millionen von Fans. Zweifelnde Eltern, die mitgeschleift wurden, dürften spätestens bei der spontan eingeworfenen Ballade „Pick Me“ einsehen: Hier gibt gerade eine ganz große Musikerin ein Konzert, und das lediglich zum Beginn ihrer Karriere. Wohin der Weg von girl in red noch führt, darf gespannt verfolgt werden, ihr Konzert München verlässt sich nach ihrem größten Hit „I Wanna Be Your Girlfriend“ nach knapp 90 Minuten zurecht unter frenetischem Jubel. Stark!
Setlist: Doing It Again, Baby / Bad Idea! / Girls / New Love / Body And Mind / I’m Back / Pick Me / Ugly Side / October Passed Me By / We Fell In Love In October / Phantom Pain / You Stupid Bitch / Serotonin / Too Much / A Night To Remember / Midnight Love / Rue / Dead Girl In The Pool / You Need Me Now? / I Wanna Be Your Girlfriend
Bericht: Ludwig Stadler
Schreibe einen Kommentar