„In 20 Jahren bist du eine Größe“, sagt eine begeisterte Zuhörerin mit österreichischem Dialekt zu Jesper Munk, direkt nach seinem Konzert auf dem Tollwood Sommerfestival im Jahr 2016. „Das ist sehr ermutigend“, erwidert er. „Blues-Wunderkind“ wurde er hundertfach betitelt, die Abendzeitung gab ihm den Stern des Jahres im Genre Blues, das zweite Album chartete auf Platz #35 der Charts. So wunderschön all diese Auszeichnungen, diese Lorbeeren auch seien, wie sehr vergrößert sich da der Druck, das Niveau zu halten, ohne stehenzubleiben, ohne seinen eigenen Anspruch zu vergessen, aber dennoch zu begeistern? Die Antwort gibt der Film „For In My Way It Lies“: riesig.
So recht begreifen konnte Jesper es nicht, als Lukas von Stein auf ihn zukam und fragte, ob er ihn nicht dokumentarisch begleiten könne. Nicht begreifen, was an ihm so interessant sein könnte. Und ja, über die knapp 110 Minuten Laufzeit bricht er fast nie aus, bleibt konstant, trotz seiner Emotionen immer ausgeglichen und vielleicht verhältnismäßig langweilig. Seine Arbeit, seine Zerrissenheit, seine Perfektion und andauernde Unzufriedenheit sind das aber ganz und gar nicht.
Allgemein macht es Regisseur und Kameramann von Stein absolut richtig: keine Inszenierung, keine große Überarbeitung oder gar Überladung. Er stellt die Kamera hin und lässt die Situation geschehen, wie ein stiller Beobachter. Sogar so ein stiller Beobachter, dass es, abgesehen von der eben gerade im Film gespielten, keine weitere Musik zu hören gibt. Auch auf jegliche Interviews, Off-Stimmen oder ähnliche Stilblüten wird verzichtet – einzig und allein das Bild ist schwarz-weiß und fügt sich der verhältnismäßig altmodischen Art Munks, Musik zu komponieren. Mit Block und Stift sitzt er am Küchentisch, jammt an seiner Gitarre und arbeitet manche Spuren aus. Als ihm eine Idee im Auto kommt, fragt er nach Zettel und Stift, was verneint wird. „Dann eben Handy-Notizen“. Es wirkt fast wie ein Fremdkörper.
Munk bearbeitet seine Songs über 1,5 Jahre praktisch zu Tode – ob das endgültige Resultat, die auf dem neuen Album „Favourite Stranger“ erschienenen Versionen nun die bestmöglichen sind, bleibt dahingestellt. „Easier“ wird so von einer recht schnellen Blues-Poprock-Nummer final zum längsten Song des Albums und letztendlich zu einer langsamen, sehr gemächlichen Ballade. Inspiration sucht er sich dabei auch bei seinem Produzenten Robbie Moore, der oft arg übermotiviert wirkt und einige Parts mit manchen Einsätzen eher verschlimmbessert. Denn selbst als Jesper mehrfach betont, dass er die Version gerne so belassen würde, rennt Moore ans Klavier und kitzelt Saiten-Sounds aus dem Inneren heraus.
Rückhalt findet der inzwischen 25-Jährige neben seinem Vater, der ihn nicht nur bei seinen Auftritten in München besucht, sondern auch mit nach Berlin ins Studio reist – aber noch mehr Rückhalt und teilweise sogar Rückgrat erhält er von seiner Freundin Larissa Herden, als Musikerin ebenfalls unterwegs unter dem Namen Lary. Manchmal wirkt es, dass der dauermelancholische und wenig glückliche Jesper sich so sehr in seiner schier grenzenlosen Perfektionierung seiner Musik verliert, dass nur Herden alleine ihn unterstützen und aufmuntern kann. Auch von ihr alleine bekommt er Kritik – und reagiert überraschend resistent. Stumpft man innerhalb des Lobeswahns womöglich vollkommen ab? Der Eindruck entsteht.
Fazit: Lukas von Stein entwickelt mit „For In My Way It Lies“ ein feines Porträt von Jesper Munk ohne Glorifizierung. Er zeigt Szenen aus dem Studio, Situationen aus dem Alltag, Promo-Touren durch Kanada oder einfach nur die Zeit vor, während und nach des Konzerts – einen Eindruck, eine Meinung entsteht subjektiv beim Betrachter und wird zu keiner Zeit wertend. Vielleicht eine der eindringlichsten Musiker-Biopics über die spektakuläre Zerrissenheit eines menschlich unspektakulären Musikers.
Am 5. Mai 2018 feiert „For In My Way It Lies“ Premiere im Deutschen Theater München im Rahmen des DOK.fest 2018.
Kritik: Ludwig Stadler
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