„Lass alles liegen und stehen, alles muss brennen und in Flammen aufgehen“, heißt es in einem Lied der Münchner Band GWLT, das den passenden Titel „Alles muss brennen“ trägt. Auf diesen Ausspruch, auf diese Taten arbeitet der gesamte Abend von „Das hässliche Universum“ hin, das am 29. Juli 2020 im Münchner Volkstheater Premiere feiert. Es ist die zweite Neuproduktion der Sommerspielzeit und die erste im Saal selbst. Der präsentiert sich mit ausgebauten Sitzreihen und viel Abstand, aber im Applaus und zumindest Gefühl dann doch überraschend voll.
Die Kammerspiele bringen zum Abschluss eine Eröffnung, das Volkstheater hält es zum Beginn mit einem Abschied – so suggeriert zumindest das leuchtende „The Goodbye Show“-Emblem, das über dem Bühnenbild schwebt. Dieses selbst ist recht minimalistisch mit einem leuchtenden Wolkenbogen, vier Sitzbänken und allerlei Instrumenten. Die ziehen sich auch wie ein roter Faden durch die Inszenierung, denn insgesamt tingelt man durch vier Klassiker, bis die Welt, naja, brennt. Grund dafür ist Rosa, eine Person mit Einfluss und politischer Euphorie. Die Erzählungen lassen eine bedeutende politische Influencerin vermuten, eine Parallele zu jungen, aufständischen Persönlichkeiten wie Greta Thunberg. Ihre Aussagen polarisieren, aber nehmen gefangen. Sie verärgern, aber nur, weil sie stimmen. Und irgendwann ist man so sehr in diesen Aussagen gefangen, dass man die Aufforderung „Alles muss brennen“ nicht mehr hinterfragt. Und zündet.
Wie sich die Situation zuspitzt, beobachtet aus verschiedenen Perspektiven, zeigen vier Ensemble-Mitglieder*innen, die als Lookalikes in die verschiedensten Rollen schlüpfen. Zudem gebührt jeder und jedem eine Performance, sei es eine brüllende Interpretation von Blurs „Song 2“ als Frida Kahlo (Nina Steils) oder eine Imitation, womöglich sogar Parodie auf ekstatischen Tänzen zu Bon Jovis „It’s My Life“, gekonnt bewegt von Vincent Sauer als Freddie Mercury-Double und fantastisch dreistimmig gesungen. Allgemein ist die musikalische Komponente, wenngleich nur als Verstärker und weitere Geschichte, extrem stark, was nicht zuletzt Silas Breiding an den Tasten beweist. Ob er nun Herkules, Alexander der Große oder einfach nur ein Gladiator sein soll, bleibt offen. Deutlicher dagegen Anne Stein als Marilyn Monroe, die mit ihrer ellenlangem Nein-Monolog fast die Extremen des Lilienthal-Performance-Theaters schlägt. Hut ab!
Knapp 80 Minuten dauert die schleichende Annäherung der Apokalypse. Sapir Heller inszeniert den wilden Text von Laura Naumann, der nicht nur einmal unfreiwillige Parallelen zur aktuellen Situation innehat, flott, bunt und humorvoll. Hin und wieder geht der Handlungsfokus dann doch etwas verloren und die Einlage selbst bleibt ohne zweiten Boden – aber das ist bei der Dichte der Aktionen auf der Bühne mehr als zu verzeihen. Als zum Schluss die Aufforderung des Abbrennens angenommen wird und die Erde lodert, kommt eine gewisse Sicherheit in den Figuren auf. Erst wenn die Welt stirbt, kann der Geist ruhen? Wir warten aktuell eher auf die schnellstmögliche Brandlöschung. Aber sicher, das ist man im Theater mit Abstand und Konformität allemal. Und diese frische Inszenierung mit Performance at its best weiß absolut zu gefallen – mit Sicherheit!
Kritik: Ludwig Stadler