Es ist nun keine große Überraschung, dass die Emil Bulls wie jährlich das Backstage Werk entern, um dort ihren traditionellen X-Mas Bash zu vollziehen, aber dennoch ist es jedes Mal aufs Neue eine große Freude. Dieses Jahr hat man sich entschlossen, den Bash in Hamburg und München starten zu lassen – die Hansestadt zuerst, anschließend die bayerische Heimat am 15. Dezember 2018. Das Line-Up kann sich dabei mehr als sehen lassen: Any Given Day, Tenside und spontan noch Coast Down. Vorhang auf für einen langen und lauten Abend!
Erst wenige Tage zuvor angekündigt wurden Coast Down, die um 18:30 Uhr den Abend lautstark eröffnen durften. Die Regensburger haben sich dem (Post-)Hardcore verschrieben und legen auch mit „Komorebi“ dementsprechend wuchtig los. Mit einer sichtbar großen Motivation flitzen die Musiker über die gesamte Bühne des Werks und schaffen es, trotz der Uhrzeit, einen kleinen Moshpit in der Arena zu entfachen. Frontmann Phil wagt sich gegen Ende des Auftritts sogar runter in die Besuchermenge und performt mit vollem Körpereinsatz seine Gesangspassagen. Sehr starker Beginn und mitreißender Auftritt des Core-Nachwuchses!
Setlist: Komorebi / Step Back / Ronin / Young Blood / Two Faced / Not My Home
Die folgenden Lokal-Matadore sind schon etwas länger im Core-Geschäft, anfangs nur im Münchner Kreis, inzwischen weltweit: Tenside. Auf ganze sechs Alben kann die Formation rund um Gitarrist, Sänger und Gründungsmitglied Daniel Kuhlemann zurückblicken – ein schier riesiges Repertoire, bedenkt man ihre kurze Spielzeit von 35 Minuten. Also beschränkt sich die Band auf ihr aktuellstes Album „Converge“ und wirft mit „Reborn“ nur einen Klassiker in die Setlist. Leider will weder Musik noch Auftritt so recht beim Publikum zünden. Zwar sind die Songs prinzipiell treibend, aber irgendwie wirkt der ganze Auftritt viel zu geleckt und perfekt – natürlich hat man sich nach 14 Jahren Bandhistorie eine gewisse Routine erspielt, aber ein paar Ecken und Kanten dürfen und sollen dabei unbedingt bestehen bleiben.
Setlist: This Is What We Die For / New Slaves / Unbreakable / Reborn / Eternal Contempt / Built For Eternity / The Faceless / Faith Over Fears
Die Ruhrpottler von Any Given Day wären bereits im Rahmen des Bash-Festivals 2016 dabei gewesen, mussten allerdings absagen, da es sich mit ihrer Caliban-Support-Tour überschnitten hat. 2017 fiel der Bash zeitgleich auf das offizielle Tourabschlusskonzert der Bulls, sodass nun endlich der Zeitpunkt gekommen ist, um mit den Durchstartern im Core-Bereich sich die Bühne zu teilen. AGD beginnen mit ihrer neuen Single „Savior“ und gehen fließend in „Endurance“ über, was dann spätestens zu riesigen Moshpits führt. Im Rahmen des free&easy-Festival lieferten die Musiker bereits ein denkwürdiges München-Konzert ab – das alles untermauern sie nur noch einmal. Obwohl sie nur 40 ihrer eigentlich 45-minütigen Spielzeit nutzen, befindet sich ihre Performance auf einem derart hohen Niveau, dass ein Vergleich mit dem Eskimo Callboy Support-Konzert an ebendiesem Ort vor 3,5 Jahren nicht möglich ist. Sollte das kommende, dritte Album weiterhin auf diesem Niveau bleiben, stehen den Jungs alle Türen offen. Die wahrscheinlich derzeit stärkste Core-Band im Live-Sektor sind sie inzwischen definitiv.
Setlist: Savior / Endurance / Coward King / Ignite The Light / Levels / Hold Back The Time / Home Is Where The Heart Is / Arise
Aber so gut das Indoor-Festival bis dato läuft, fehlen selbstredend noch die Namensgeber und Initiatoren. Zwar könnten die Emil Bulls auch einfach den Bash in ihrem Sinne weiterlaufen lassen mit wechselnden Line-Ups, aber stehen sie schlichtweg selbst zu gern auf der Bühne. Um 21:25 Uhr fällt das Frontdrop und „Kill Your Demons“ dröhnt aus den Boxen. Die Bulls sind zurück im Backstage! Natürlich ähnelt sich die Struktur der Konzerte und auch die Einlagen bei etlichen Dauerbrennern kann der häufige Bulls-Konzertbesucher inzwischen auswendig – aber völlig egal, es macht immer noch so viel Spaß wie beim ersten Mal. So sieht es jedenfalls vor der Bühne aus, bedenkt man den riesigen Moshpit, der in der Arena tobt und auch bis Konzertende nicht mehr endet. Erstmals greift die volle Eskalation sogar auf die Personen über, die im „Sicherheitsbereich“ der Stufen stehen – auch hier springt das Publikum plötzlich in den tobenden Pulk und feiert die mächtigen Metal-Songs von „Here Comes The Fire“ bis zu „The Ninth Wave“. Wenn mal wieder jemand behaupten solle, das Münchner Publikum wäre langweilig, dem sei ein Bash-Besuch tunlichst empfohlen.
Dass der Moshpit bis zum Konzertende geht, ist deshalb so bedeutend, da die Emil Bulls wahrscheinlich einen neuen Rekord in puncto Spielzeit aufstellen, denn satte 135 Minuten lang bieten sie ihre Diskografie dar – vom ersten Szene-Hit „Smells Like Rock’n’Roll“ bis zur aktuellen Single „Euphoria“. Zwischen den Liedern liegen knapp 20 Jahre, dennoch wirkt jeder gespielte Song so frisch und unverbraucht wie vielleicht nie zuvor. Allgemein ist der Sound ihnen dieses Mal hold und Drums, Gitarren und Bass kommen so irrsinnig druckvoll daher, dass es bis zum abschließenden Song-Trio, dem „Take On Me“-Cover, „When God Was Sleeping“ und „Worlds Apart“, durchgehend Freude bereitet, zuzuhören. Außerdem schreit und singt sich Frontmann Christoph von Freydorf abermals mit so einem Stimmvolumen durch die lange Spielzeit, dass man vor ihm nur seinen Hut ziehen kann – kaum ein Kollege hält im gleichen Genre durchgehend die Stimme auf so einem Level. Um 23:40 Uhr, mit etlichen Fans auf der Bühne, geht der Abend zu Ende. „Mir hat noch nie ein Konzert so viel Spaß gemacht wie heute“, sagt Freydorf – man glaubt es ihm sofort. Bis nächstes Jahr!
Setlist: Kill Your Demons / The Most Evil Spell / Pants Down / The Way Of The Warrior / Rainbows And Butterflies / Not Tonight Josephine / Triumph And Disaster / Smells Like Rock’n’Roll / Mirror (Me) / Cocoon / Here Comes The Fire / Euphoria / Nothing In This World / The Jaws Of Oblivion / Between The Devil And The Deep Blue Sea – Zugaben 1: Friday Night / Leaving You With This / Ad Infinitum / Hearteater / The Age Of Revolution – Zugaben 2: Winterblood (The Sequel) / The Ninth Wave / Take On Me (a-ha Cover) / When God Was Sleeping / Worlds Apart
Bericht: Ludwig Stadler