Wenn die Bands schon mehrere Songs im Radio hatten, ist eigentlich jedem klar, um wen es geht, spätestens, wenn eingängige Refrains angesummt werden. So natürlich auch bei Bilderbuch. Hochgelobt wird die Band für ihren so individuellem Stil, der von Rock, Indie und Pop alles mitnimmt. Mit jahrelanger Erfahrung im Musik- und Konzertgeschäft kommen die Jungs zwischen Köln und Hamburg auch am 16. April 2019 in München vorbei. Das Zenith: die größte Location auf der Tour, wie die Vorband Homies verrät. Die beiden taffen Mädels, mehr Vor-DJanes als Vorband, versuchen die Zuschauer aufzuwärmen. Als sie rufen „und wenn der Beat dropt, flippen wir alle aus“, springen sie selbst am höchsten. Das Publikum zeigt sich wenig beeindruckt. Dabei ist ihre Musik zum Feiern geeignet, allerdings eher für eine Aftershow-Party und Leute, die Bock haben, nach einem tollen Abend noch weiter zu tanzen.
Dieser Dienstag hatte um 20 Uhr aber noch kaum etwas geboten, die Münchner blieben verhalten. Nach knapp 40 Minuten stimmten dann doch alle in die lauten Rufe nach BILD-DER-BUCH ein. Die Vorfreude war geweckt. Schlief aber durch weitere 20 Minuten Wartezeit auf den Headliner wieder ein. Als sich wirklich jeder ein Pausenbier geholt hatte, begaben sich die Herren um 21 Uhr auf die Bühne. Das Johlen groß, die Reaktionen beim ersten Song? Wieder verhalten. Beim zweiten „Mein Herz bricht“ vom ersten der beiden neuen Alben, Mea Culpa, regnet es bereits rot Papierherzen und somit war das Eis gebrochen, die Halle gehörte den Jungs, die Herzen der ersten Reihen auch. Von da an ging es zügig weiter mit einer gut konzipierten Show. Der Auftritt: Wie man sich die Musiker vorstellt. Mit Outfits, die an Morgenmantel und Seidenpyjama erinnern, sehen sie wie Klischeemusiker aus. Egozentrik, wie man sie nicht das erste Mal aus Wien sieht, das kulturelle Erbe von Falco und co. scheint hier mitzuschwingen. Etwas abgehoben, etwas durchgeknallt, aber solche Genies, dass sie sich keine krassen Kostüme zulegen müssten, da ihr Handwerk für sie spricht.
Bilderbuch lässt handgemachte Töne hören. In guter Tonqualität und angenehm gemischt, überzeugt die musikalische Qualität live ebenso wie auf den Aufnahmen. Verschiedene Loopstations auf der Bühne nutzen kann nicht jeder, ohne sich zu verheddern, Sänger Maurice Ernst schon. Als Deko dient eine Ansammlung an kosmischen Gegenständen, neben Planeten, Sternen, Federboas, sind auch asiatische Schriftzeichen, eine Flugzeugstiege und ein riesiges Wasserhahnmodell mit von der Partie. Dies entspricht genau den dadaistischen Zügen, die der Band nachgesagt werden und die sich auch in den Texten wiederfinden.
Hintereinander werden die meisten Songs durchgespielt. Hier gibt es keine lange Erklärung über die Entstehungen der Songs oder über eine schwere Zeit im Leben, sondern nur der Titel und da fängt es auch schon an. Logisch bei Texten, die sich von narrativen Strukturen lossagen. Diese Band beweist, was schon seit Jahren bei deutschen Texten vermutet wurde: der Inhalt ist ja eh egal. Das schöne bei Bilderbuch: Mit dadaistischem Einschlag versuchen sie gar nicht erst, tiefgründig zu stöhnen oder geheimnisvoll zu raunen. Es geht nicht um die krasse Message, sondern darum, eine gute Zeit zu haben. Das Licht scheint die Töne zu kommentieren, ein paar Mädels sitzen auf Schultern und drehen verspielt die Hände im Takt zu „Bungalow“. Trotz der vielen Schüler und Studenten ist die Luft überraschend leer – die Leute genießen lieber, statt sehnsüchtig ihre Handys in Richtung Bühne zu recken. Schade ist aber, dass, außer in den ersten Reihen, keine ansteckende Tanzstimmung aufkommt. Dass zwischen den vier Österreichern und ihren Fans nicht wirklich eine Verbindung herrscht, wird ganz klar, wenn sie ihre Hits wie „Maschin„, spielen und sich nur wenige wirklich gehen lassen.
Während die Band auf der Bühne alles gibt und damit ihr Programm durchzieht, als würden sie nicht so recht merken, dass das Publikum nur teilweise dabei ist, verlassen einige Zuschauer das Konzert. Der Funke ist nicht übergesprungen. Schade auch, wenn Maurice dann in den Ansagen doch etwas individueller wird, Tagesaktuelles einbeziehen will und über das Feuer in Notre Dame spricht. Besser gesagt schwadroniert, um anzukündigen, dass so etwas Gefühle auslöst – und der nächste Song auch um Gefühle geht. Holprig. Schlussendlich hat handwerklich alles gestimmt, bei Bilderbuch, Bühnenbild und Tonqualität – musikalisch fit, aber nicht empathisch. Damit war dieses Konzert für viele Besucher ein Fall von: live nicht ganz so stark wie auf Platte!
Setlist: Mr. SUPERCOOL / Mein Herz Bricht / Memory Card / Taxi Taxi / Bungalow / Frisbeee / Ich hab Gefühle / Vernissage My Heart / Europa 22 / Baba / Maschin / Spliff / Plansch / Checkpoint (Nie Game Over) / LED Go – Zugaben: Kids im Park / Mr. Refrigerator / sneakers4free / Schick Schock / OM
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Bericht: Jana Taendler
Fotos: Sergej Kaplanov