Die Alte Kongresshalle ist gut besucht am Abend des 11. Septembers 2019. Ein bunt gemischtes Publikum aller Altersklassen wartet gespannt auf den Auftritt der US-amerikanischen Musikerin, Sängerin und Songwriterin Amanda „Fucking“ Palmer.
Amanda Palmer erscheint im schwarzen Anzug und weißer Bluse. Weder nackt noch im Burlesque-Kostüm erinnert sie mit ihrer rötlichen Lockenmähne eher an einen weiblichen David Bowie. Ein reduziertes Erscheinungsbild, wenn man sich an ihre Auftritte zu Zeiten der Dresden Dolls zurückerinnert. Heute geht es ausschließlich um den inneren Seelenschmerz. Radikal wird dieser von innen nach außen gekehrt und keine theaterhafte Inszenierung soll davon ablenken.
Sie beginnt ihre Show mit einer kleinen Ukulele. Auf der Bühne steht noch ein schöner Steinway-Flügel und bis auf einige Lichtstrahler braucht Amanda Palmer nicht mehr, um ihren Weltschmerz ins Publikum zu tragen.
Aber als nach 45 Minuten nur 3 Lieder ertönen, wird enttäuschend klar: Die gespielte Live-Musik unterliegt heute klar der Redezeit. Dabei beweisen Songs wie „The Killing Type“, ein Orkan auf dem Piano, oder das romantische Lied „The Ride“, dass die Übertragung der persönlichen Traumata in die Musik ihre eigentliche ästhetische Stärke ist.
In einer Selbsttherapie-Performance erzählt sie von der Krankheit und dem Sterben ihres besten Freundes, von ihrer Ex-Beziehung zu einem Junkie, von ihren Abtreibungen und zum Schluss von der Erfahrung einer Fehlgeburt. Persönliche Verluste, globale Ängste und genderspezifische Themen. Selten werden diese Geschichten von ihren Liedern unterbrochen, wirken dabei eher kommentierend und nicht wie die zentralen Bestandteile dieser Show. Als es in der Show „There will be no intermission“ doch zu einer Pause kommt, bleibt dem Publikum eine Viertelstunde, um sich zu sammeln. Unweigerlich kommt die Frage auf: Ist dieser Frau auch einmal etwas Positives passiert?
Oft schon an der Grenze und trotz der riesigen Portion Galgenhumor fast zu persönlich; die 43-jährige Amerikanerin ist gnadenlos offen. Der rote Faden bleibt über den Abend leider nicht konstant.
Ob den Zuschauern so bewusst ist, dass Amanda Palmer gerade Geld von ihnen verlangt, für 3 Stunden ihren Psychiater zu spielen, bleibt zweifelhaft. Vielleicht will sie auch nur beweisen: Ich produziere keine Kunst, ich bin Kunst! Aber diese düstere Schmerzerfahrung, gekoppelt mit dem Wirklichkeitsanspruch, ist nicht leicht zu schlucken. Unerbittliche Ehrlichkeit muss man ja auch erst einmal verarbeiten.
Setlist: In My Mind / The Killing Type / Bigger On The Inside / Oasis / Part Of Your World (Jodi Benson cover) / Machete / A Mother’s Confession / Coin-Operated Boy (Dresden Dolls song) / Drowning In The Sound / Voicemail For Jill / Let It Go (Idina Menzel cover) – Zugabe: The Ride
Kritik: Carolina Felberbaum