Ein Musicalabend, wie er im Buche steht – „Dracula“ im Deutschen Theater (Kritik)

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„Dracula – Das Musical“ – der Name dürfte wohl jedem ein Begriff. Für diese Geschichte suchte sich das Deutsche Theater genau die richtige Jahreszeit heraus für das fulminante Spektakel. Am 21. Oktober 2022 feierte die Inszenierung von Alex Balgas Premiere. Hier kommen Musicalfans voll auf ihre Kosten: Eindrucksvolle Kostüme von Irina Hofer, Massenszenen mit Tänzer*innen und Sänger*innen, ein aufwendiges Bühnenbild auf zwei Ebenen, außerdem: Drama, Liebe und natürlich der Durst nach Blut.

© Susanne Brill

Wir fassen zusammen: Basierend auf der Vorlage von Bram Stoker aus dem Jahre 1897 verabschiedet sich auch hier zuerst er Advokat Jonathan Harker (Philip Schwarz) von seiner geliebten Mina (Roberta Valentini), reist mit dem Zug nach Transsilvanien und erlebt dort den Spuk des Grafen Dracula (Thomas Borchert) in dessen Schloss. Zudem werden die drei Vampierbräute etabliert. Diese bringen ihren Blutdurst auf maximal zweideutige Weise zum Ausdruck. Dass das Kostümbild die Ladies als blutverschmierte sexy Bräute mit engen Corsagen und Strumpfbändern darstellt, trägt natürlich zum Showeffekt des ganzen Abends bei, schließlich ist das keine Wagner-Oper, sondern etwas Aufregendes soll geboten werden. Wenn im Song „Blut“ der Herr Advokat einer Vampirbraut, die mit nach oben abgespreizten Beinen daliegt, aber mit dem Kopf in den Schritt fällt, fragt man sich schon, wann Moulin Rouge mit ins Spiel kam. Da wird die Devise ‚Aufregend muss es sein!‘ wohl etwas zu ernst genommen. Doch dieser Ausbruch ist schnell wieder vergessen, als die Handlung sie wieder im heimischen London findet und Minas Freundin, Lucy (Valerie Luksch) auf die Bildfläche tritt. Von den eingängigen Songs wie „Ein Lebenstraum“, die Luksch gesanglich sehr gut ausfüllt, ist das Publikum begeistert.

© Susanne Brill

Beim Opening spielt die Techniker leider einen Streich, sodass der famose erste Auftritt Draculas eher zu einem Beispiel dafür wurde, wie technische Pannen dem besten Darsteller die Show stehlen kann. Lucy tritt also auf die Bildfläche und wir finden uns in einem herrlichen Klamauk aus romantischem Wetteifer um die junge Schönheit, die gleich drei Anträge bekommen hat, sich schlussendlich aber für die Liebe entscheidet. Nur kurz darauf folgt sie jedoch Draculas Ruf. Der hat sich in Minas Foto verliebt und plant nun die feindliche Übernahme, trifft aber auf die falsche Braut und beißt stattdessen Lucy, die ihm voll und ganz verfällt. Dies ruft den Vampirjäger Van Helsing (Patrick Stanke) auf den Plan, der selbst mit nur wenigen Soli sehr gut erkennen lässt, dass die Figur eigentlich sehr tiefgründig ist und dann ihn eine persönliche Tragödie mit Dracula verbindet (dieser Verlust wird im zweiten Teil des Abends im Song „Rosanneemotional beleuchtet). Doch mit Lucy erreicht die Spannung einen Höhepunkt – Luksch spielt überzeugend und mitreißend den Zwiespalt zwischen der Angst vor Dracula und dem Bann der sie zu ihm hin zieht. Schlussendlich fällt Lucy der Blutgier des Meisters zum Opfer und verwandelt sich in die vierte Vampirbraut.

Nach der Pause widmen sich die Männer der Verfolgungsjagd und Dracula seinem größeren Ziel – der Eroberung von Mina. Immer wieder tritt dabei auch Renfield (John Davies) auf den Plan, der dem Abend mit seinem Song „Das Lied vom Meister“ den schaurigen Twist des ‚Thriller in der Irrenanstalt‘ verleiht. Im zweiten Teil folgt also der große Showdown: Lucys Verehrer, Harker und der von Rache getriebene Van Helsing gegen die übernatürlichen Kraft des Dracula. Hier kommt die Inszenierung etwas genreuntyptisch daher – enden doch viele Musicals mit einer wuseligen Gute-Laune-Massenszene, geht es hier sehr tragisch zu. Doch alles in allem werden Musical-Liebhaber hier mit allem versorgt, was ein Musical-Abend ausmacht – ein mitreißendes Spektakel mit emotionalen Höhen und Tiefen!

Bericht: Jana Taendler