Wenn Tom Odell ein Konzert in der TonHalle München ankündigt, ist das üblicherweise ein Garant dafür, dass die Halle ordentlich voll wird. Dieses Mal ist das Konzert sogar schon lange zuvor restlos ausverkauft, viele suchen verzweifelt Karten, doch keine Chance – die, die das Glück eines Kartenbesitzes haben, wollen dies ungern hergeben. Wenig verwunderlich, gilt der Brite unlängst als einer der stärksten Acts, die man auf einer Bühne in seinem Genre bewundern kann. Doch auch wenn sein einzig wirklicher Hit „Another Love“ mittlerweile rund zehn Jahre her ist, wird sein Publikum immer jünger – dieses Mal haben sich die, vorrangig weiblichen, Fans gleich mehrere Jahre zum letzten Konzert verjüngt. Diverse TikTok-Trends haben ihr Übrigens getan und offensichtlich erstmals eine deutlich sichtbare Auswirkung erzielt.
Dieses unfassbar junge Publikum geht mit Vor- und Nachteilen einher. Die Vorteile genießen da definitiv die Support-Künstler Cartwright und OSKA, die um 19:20 Uhr und 20:00 Uhr die Bühne der TonHalle betreten. Denn nicht nur beim etwas verträumten Singer/Songwriter zu Beginn sind die Zuschauer*innen engagiert und interaktiv dabei, auch die darauffolgende Österreicherin bekommt die ganze vorfreudige Liebe der Jugend zu spüren – sogar zu einem Mitsing-Part lassen sich alle motivieren. Insbesondere OSKA weiß aber auch musikalisch völlig zu begeistern – ruhig, sanft, teils verletzlich klingen ihre Lieder, zu Beginn fast zu zerbrechlich anmutend, aber dann fällt einem wieder ein: das hier ist ja ein Tom Odell-Konzert. Also alles richtig gemacht!
Seinen Startschuss um 21 Uhr verpasst der britische Liedermacher dann aber ordentlich, erst um 21:12 Uhr tritt er im Dunkeln zu seinem Flügel hin, fast unerkannt im brandenden Jubel. Solo und ganz intim startet er mit „Give A Fuck“ und „numb“. Die Stille kann aber zu Beginn nicht gehalten werden, die ersten nutzen die Ruhe für absolut unpassende „I Love You“-Rufe, bis sie vom Rest zurechtgewiesen wurden. Ja, die Liebe für Tom Odell ist durchgehend zu spüren und im Laufe des Konzerts folgen vom Ergreifen seiner Hand und ausuferndem Bewerfen von Geschenken noch einige Beweise davon – und irgendwie prallen genau da schon zwei Welten aufeinander. Denn während das junge Publikum einzig das macht, was es halt immer macht bei Konzerten von Olivia Rodrigo bis Gracie Abrams, zieht Odell auch sein Ding durch – und er ist weder blutjung noch macht er Musik für das Alter des Publikums, stattdessen sind sowohl seine verschrobene Art als auch traurig-melodischen Nummern eher für ein Publikum des verdoppelten Alterswertes verfasst. Dementsprechend gestaltet er auch sein Konzert – und dementsprechend irritiert verziehen nicht wenige TikTok-Mädels das Gesicht, als er bei „Can’t Pretend“ die gesamte Soundgewalt seiner Band auskostet.
Odell selbst ist aber voll in seinem Element. Eigenwillig wie er ist, spricht er zwar nur äußerst selten zur Menge, spielt davor aber umso engagierter und vertiefter seine Lieder. Mittlerweile ist sein Repertoire, bedingt durch das deutlich ruhigere und experimentelle „monster“-Album wie auch die kommende Platte, welche fast nur aus reinen Klavier-Liedern besteht, doch sehr ruhig geworden, wodurch auch das Konzert, welches traditionell das gesamte Repertoire abgreift, eine Achterbahnfahrt wird – vom ruhigen, atmosphärischen „Flying“ zum sich steigernden „Hold Me“ bis zum Rock-Feuerwerk „fighting fire with fire“ in der Zugabe (zum Glück eine abgeänderte Version, das Original auf CD ist kaum erträglich). Von der puren Performance fraglos das beste Konzert, dass der Brite bisher in der bayerischen Landeshauptstadt gegeben hat – wenngleich auch das kürzeste; nach rund 95 Minuten verabschiedet er sich nach dem ohrenbetäubend lautem „Another Love“. Ob das Publikum noch einmal kommt, wenn der TikTok-Trend, Tom Odell bei seinem großen Hit in Grund und Boden zu schreien, während man es filmisch festhält, vorbei ist? Es bleibt abzuwarten. Was definitiv kommt, ist das neue Album „Best Day Of My Life“ – und damit auch sicher wieder der klavierspielende Blondschopf. Wir freuen uns bereits jetzt!
Setlist: Give A Fuck / numb / Can’t Pretend / Sparrow / True Colors (Cyndi Lauper cover) / don’t be afraid of the dark / Flying / Heal / Best Day Of My Life / Grow Old With Me / Half As Good As You / Magnatised / Hold Me – Zugaben: fighting fire with fire / money / Concrete / Smiling All The Way Back Home / Another Love
Bericht: Ludwig Stadler