„Aber das ist doch Unfug!“, mag man bei dieser Überschrift denken, und sicherlich ist das auch wahr, aber bei diesem Ausspruch handelt es sich um den gleichnamigen Song der Band Hämatom, der erst Sinn macht, wenn man den darauffolgenden, zweiten Teil kennt: „Wir sind eine Familie“. Genau dieses Gefühl von Zusammenhalt und Support der Fans durch die Corona-Zeit haben die Franken im besonderen Maße erfahren, was sicher auch am ordentlichen Output in dieser Zeit liegt: Alben, Spezialprojekte, unzählige Streams, Abstandskonzerte. Um sich für all diese Fan-Unterstützung zu bedanken (und wohl auch, um selbst wieder ein gutes Gefühl für die Bühne zu bekommen), haben Hämatom die „Danke für die Liebe“-Tour durch kleine Clubs in Deutschland angekündigt. Vier Konzerte, beginnend am 11. Mai 2022 im Backstage Club München.
Es war 2013, als Hämatom mit dem Album „Keinzeitmensch“ gegenüber in der solide gefüllten Backstage Halle ihre erste größere Tour durch Deutschland gespielt haben – dem Club sind sie sogar damals schon entwachsen. Insofern ist es nun, wenn die Band längst auf der Mainstage des Wacken Festivals spielt und regulär mittlerweile die 2.000-Personen-umfassende TonHalle in München bespielt, durchaus etwas Besonderes, diesen Rahmen als Podium zu nutzen. Ausverkauft ist es selbstverständlich, Vorbands gibt es nicht – das dürfte auch schwer möglich sein, wenn allein das Schlagzeug schon die halbe Bühne in Beschlag nimmt und selbst noch dort Platz für einen Techniker sein muss, wenngleich im Club sowieso bereits allerlei technische Geräte von Monitor-Mix bis Mischpult untergebracht sind. Kein Wunder also, als Hämatom mit guter Verspätung um 20:40 Uhr loslegen, dass sie sich erstmal selbst etwas auf der Bühne im Weg stehen.
Auch wenn das Publikum bei den ersten Songs noch etwas verhalten mitmacht, ist der Bann spätestens mit dem Klassiker „Alte Liebe rostet nicht“ gebrochen und die Menge bewegt sich fleißig. Mit der Zeit arrangieren sich die vier musizierenden Himmelsrichtungen auch mit der Bühnengröße und nutzen den flotten Kontakt ins Publikum – Gitarrist Ost und Bassist West sind so des Öfteren beim Übergang zur Galerie anzutreffen, Sänger Nord entert sogar einmal bei „Totgesagt doch neugeboren“ die komplette obere Etage und lässt allerlei Fans mitsingen. Das Thema der Tour wird also zelebriert – ein herzliches Dankeschön von der Band für die Fans. Die Setlist ist zwar nicht arg außergewöhnlich, sondern vorrangig bestehend aus den üblichen Klassikern und einem Haufen neuer Songs aus dem aktuellen Album „Die Liebe ist tot“ – aber das ist ja auch schwer verständlich, auch in Anbetracht dessen, wie selten Hämatom diese Songs erst darbieten konnten. Zwar rasseln damit auch Lückenfüller wie „Liebe auf den ersten Fick“ ins Programm, aber das ist zu verzeihen – am Ende stehen wir bei 105 Minuten Spielzeit und durchgehend Vollgas.
Die Temperatur ist nicht nur außerhalb der Halle erstmals deutlich über 20 Grad gestiegen, vor allem innerhalb der Konzertlocation wird es schnell schwitzig und hitzig. Wie es Hämatom selbst bei dieser Hitze schaffen, in voller Kostümierung und Maskierung nicht von der Bühne zu kippen, gebührt Respekt! In jedem Fall verabschieden sie sich mit dem All-Time-Classic „Leck Mich“ gegen 22:30 Uhr von der Bühne und werden stark bejubelt zurückgelassen. Beobachtet man den Siegeszug dieser Band in den vergangenen 17 Jahren, es ist schier beachtlich. Sie sind keine Band – sie sind ein Phänomen.
Setlist: Dagegen / Lange nicht perfekt / Ich hasse dich zu lieben / Alte Liebe rostet nicht / Ficken unseren Kopf / #FCKCRN / Mörder / Liebe auf den ersten Fick / Lichterloh / Tanz auf dem Vulkan / Kids (2 Finger an den Kopf) / Cover-Medley / Eva / Ihr wisst gar nichts über mich / Totgesagt doch neugeboren / Wir sind keine Band / Fick das System / Zeit zu gehen – Zugaben: Wir sind Gott / Bleib in der Schule (Trailerpark Cover) / Leck Mich
Bericht: Ludwig Stadler