Sie sind hör- und sichtbar auf dem Vormarsch, nicht nur national, sondern weltweit: Giant Rooks. Mit „Watershed“ ist dem Quintett das gelungen, was nur wenigen Bands aus den deutschsprachigen Landen gelingt, nämlich ein waschechter internationaler Hit. Songs wie „Wild Stare“ und „What I Know Is All Quicksand“ tun dabei ihr Übrigens und manifestieren dabei den Uprising-Status der Band. Ausführlich getourt wurde allerdings zuletzt 2019, damals in Locations von höchstens 1000 Personen Kapazität. Nun, am 11. April 2022, starten sie ihre Europa-Tour im Münchner Zenith, annähernd ausverkauft vor sicherlich 5.500 Zuschauer*innen.
Den Startschuss bringen erst einmal Sea Girls, die hierzulande wenig Beachtung oder Bekanntheit genießen, in ihrer Heimat Großbritannien aber bereits eine beachtliche Größe erlangt haben. Das wundert wenig, denn bereits die ersten Töne wissen sofort zu überzeugen. Brit-Rock gepaart mit Indie-Nuancen, fetzigen Rhythmen, extrem eingängigen Melodien und der gewissen Portion Rotzigkeit – und das bei jedem einzelnen Lied! Teile des Publikums sind ganz aus dem Häuschen über das, was man da gerade hören kann und wieso man das nicht schon früher entdeckt hat – der Großteil ist aber leider höchstens mit dem halben Ohr dabei und steht die Zeit bis zur deutlich unrockigeren Hauptband ab. Das wird den Sea Girls nicht gerecht, die eine grandiose Performance mit grandiosen Liedern hinlegt und für den stärksten Support-Auftritt seit langem sorgt. Chapeau!
Am 7. November 2022 mit eigener Tour im Strom.
Setlist: Hometown / Violet / Lonely / Do You Really Wanna Know? / Damage Done / Sick / Call Me Out / All I Want To Hear You Say
Und dann beginnt das Warten. Aus den eigentlich angesetzten 30 Minuten werden schnell immer mehr, bis irgendwann eine Dame aus dem Technik-Team die Bühne betritt und verkündet, dass es ein technisches Problem gibt und man noch etwas warten müsse. Nach satten 70 Minuten geht es dann um 21:40 Uhr doch noch los, sichtlich genervt und mit einer nochmal deutlich höheren Erwartungshaltung an Giant Rooks, die nun das lange Herumstehen entschädigen müssen. Mit „The Birth Of Worlds“ und „Heat Up“ gelingt das glücklicherweise ziemlich gut, die Ton- und Lichttechnik schießt gleich aus allen Rohren und das Publikum taut sofort auf. Ab der ersten Sekunde hüpfen die fünf Musiker freudig auf die Bühne und strahlen pure Spiellust aus, die bis zum Ende auch nicht vergeht.
Es sei nicht nur der langersehnte Tourstart, sondern auch das größte Konzert ihrer Karriere, verlautbart Frontmann Fred Rabe und grinst dabei am laufenden Band wie ein Honigkuchenpferd. Er nimmt seine Aufgabe als Publikumsanheizer in jedem Fall bestens wahr und rennt auf der Bühne fleißig umher, völlig glückstrunken und in kreativer Neo-Hippie-Robe. Und auch wenn für viele vornehmlich weiblichen Besucher*innen die Optik des Sängers wohl ein besonders starkes Kaufargument der Konzert-Tickets wahr, geht man von den in der Menge gehörten Kommentaren aus, soll es doch vornehmlich um die Musik gehen. Die ist angesiedelt zwischen dem klassischen Indie und glasklarem Pop auf internationalem Niveau. Giant Rooks wurden zwar immer größer durch Support-Auftritte der deutschen Indie-Elite wie AnnenMayKantereit, haben sich selbst aber schon immer eher orientiert an britischen Vorbildern. Wohl auch deswegen kommen am Ende Lieder raus, die universell funktionieren – auf Konzertbühne wie auch auf Bayern 3.
In all der Abwechslung, die die 16-Songs-lange Setlist mit sich bringt, fragt sich ein wenig, was denn nun der Fokus dieser Band ist. Da ist ein beachtliches Bühnenbild, dass sowieso nur auf die großen Bühnen der Nation passt. Da ist eine Produktion, die durchaus Arena-Niveau hat. Und da sind einige Backing-Tracks, die im Hintergrund mitlaufen und auf die die Musiker draufspielen. Das alles ist branchenüblich und nicht weiter schlimm, aber bewegt sich immer weiter weg von netten Fünfergespann von nebenan, dass poppige, aber auch kernige Musik machen will. Hört man sich nun die beiden nagelneuen Songs an, die Live-Premiere feiern, ist der weitere Kurs klar: nach oben. Das klingt alles gut, das klingt auch alles nach Giant Rooks, aber es ist noch einmal eine Stufe durchproduzierter und internationaler. Von den etwas unsicheren Jungs, die 2016 als Support von Von Wegen Lisbeth im Ampere musiziert haben, muss und darf man sich dringend verabschieden – hier etabliert sich eine neue Pop-Institution, bei der auch das Zenith noch lange nicht das Ende ist. Wenn man sich dessen bewusst ist und Gefallen an den musikalischen Ergüssen findet, kann man sich auf ein beachtliches 95-Minuten-Konzert einlassen.
Setlist: The Birth Of Worlds / Heat Up / 100mg / Bright Lies / Bedroom Exile / Very Soon You’ll See / Misinterpretations / New Estate / Walled City / What I Know Is All Quicksand / Morning Blue / Wild Stare / Mia & Keira (Days To Come) – Zugaben: All We Are / Into Your Arms / Watershed
Bericht: Ludwig Stadler