„Tutti contenti saremo cosí“ sangen die Solisten am Ende gemeinsam, was übersetzt in etwa „Wir werden alle glücklich sein“ bedeutet. Der Weg dazu, dass so ein Satz überhaupt ausgesprochen wurde, war lang und steinig.
„Le nozze di Figaro“ ist die erste Neuproduktion der aktuellen Spielzeit der Bayerischen Staatsoper. Die Wahl eines derartigen Klassikers, der vor einigen Jahren noch in einer Vorgänger-Inszenierung an ebenjenem Haus lief, war etwas überraschend, vielleicht auch ein wenig enttäuschend – letztendlich ist Mozarts Oper aber eine seiner bekanntesten und immer noch weltweit häufig gespielt. Mit Christoph Loy am Regiepult hat man einen der erfolgreichsten Opern-Regisseure gewinnen können, was im Prinzip bereits gute Voraussetzungen stellt.
Loy inszeniert stark Libretto-bezogen und, trotz des prinzipiell etwas moderneren Charmes, recht zeitlos – weder Bühnenbild noch Kostüme geben so recht Auskunft darüber, wann genau das Szenario sich abspielen soll; muss es auch gar nicht, denn die Aufmerksamkeit soll vollends den handelnden Figuren gewidmet werden. Das Bühnenbild, ein recht simpel gestalteter Raum mit angedeuteter Bühne und zwei Türen; der letztendliche Clou dabei ist, dass dieser Raum in jedem der insgesamt vier Akte immer größer wird und sich abschließend eigentlich nur noch in Form einer überdimensionalen Tür darstellt. Das Ganze verlangt dem Publikum zwar zu Beginn jeden Aktes ein kurzes „Oho“ ab, lenkt aber, abgesehen vom letzten Bild, kaum vom wesentlichen Geschehen ab. Zurückhaltung in allen Ebenen der Inszenierung kommen dem Stück zu Gute, wenngleich auch gerne ein wenig mehr Detailliebe im Bühnenbild hätte sein dürfen.
Der griechische Dirigent Constantinos Carydis übernahm die musikalische Leitung und wusste ausgeklügelt das Bayerische Staatsorchester zu leiten, welches stückbedingt nur sehr bruchstückhaft zeigen konnte, was es kann, letztendlich aber mit richtigen Akzenten überzeugen konnte. Lediglich die Ouvertüre hätte etwas mehr Impulsivität vertragen.
Die Besetzung dagegen hätte gar nicht besser aufgestellt sein können. Dass Christian Gerhaher als Graf Almaviva überzeugt, war bereits zu erwarten, exakt so kam es dann auch. Besonders eindrucksvoll war vor allem die Stimmgewalt der beiden Sopranisten Federica Lombardi und Olga Kulchynska, jeweils in den Rollen der Gräfin Almaviva und der Susanna – mit der meisten Bühnenzeit und eindrucksvollen Arien hatten sie nicht nur die häufigsten Möglichkeiten, sie nutzten diese auch, was von den Münchnern mit reichlich Szenenapplaus belohnt wurde. Ebenso erwähnen sollte man Solenn‘ Lavanant-Linke als Page Cherubino – schauspielerisch und gesanglich durchgehend grandios. Auch wenn es gelegentlich in der Oper passiert, ist es doch eine Herausforderung, glaubwürdig als Frau eine männliche Rolle zu übernehmen. Hier gelang es.
Ein großes Problem ergab sich aber in der bereits erwähnten Fokussierung der Inszenierung: die Geschichte gab nicht genug her, um über drei Stunden in der Musik als Faktor zu überstehen. Zwar war erfreulich, dass die opera buffa nicht mit einigen Übersteigerungen den Anstrich einer opera seria übergezogen bekam, wie des Öfteren bei Neuinszenierungen der Fall, jedoch war der Plot weder komisch noch fesselnd genug, um die ersten beiden Akte wirklich interessant gestalten zu können.
Ein unfassbar spannender Aspekt ist aber definitiv die Rolle der Frauen in „Le nozze di Figaro“ – selten findet man so starke Frauenrollen in Opern der letzten Jahrhunderte, die von eigenem Willen und Selbstbestimmung so sehr leben, dass sie den beiden männlichen Protagonisten, die vor allem durch Jähzorn auffallen, dermaßen die Show stehlen, sodass sie fraglos in den Fokus rücken und die Drahtzieher im positiven Sinne sind. Wahrscheinlich spielen bei Mozarts Opern allgemein die Geschmäcker eine große Rolle, ob man einen Hang zu vertrackten Verwechslungswerken hat oder doch eher die historisch-ernsten Stoffe bevorzugt, nichtsdestotrotz wurde hier dank der absolut überragenden und hochwertigen Besetzung ein toller Opernabend realisiert, der definitiv ein Garant für gute Unterhaltung ist, wenngleich sowohl Stück als auch Inszenierung Luft nach oben lassen.
Weitere Vorstellungen: 04./07./10.11.; 15./17.07.2018
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