Mord und Todschlag gab es bei der Eröffnungsvorstellung von Lars Altemann beim Wortschau Festival. Dieses wird 2017 zum zweiten Mal ausgerichtet, vom Kulturbunt Neuperlach. An fünf Tagen erwartet das Publikum ein abwechslungsreiches Programm aus Theater und Musik. Vor allem für all jene, die das Pepper Theater noch nicht kennen, lohnt sich ein Besuch, lässt das kulturelle Angebot Neuperlach doch in einem ganz neuen Licht erschienen. Einen Auftakt, der von sich reden machte, lieferte am Mittwoch Abend, 25.10., also „Und Trompeten preisen den Totschlag“, denn an Brutalität wurde wahrhaftig nicht gespart in diesem Stück, das unter Henkern im frühen Mittelalter spielt.
Davon ist zunächst nicht zu spüren; die historischen Umstände, welche der Handlung voraus gehen, werden anfangs in einem unterhaltsamen Prolog erläutert. Mit Slapstick Humor und an die Commedia del’artre erinnernden Sketchen wird man abgeholt, richtet die Aufmerksamkeit bereitwillig auf das komische Spiel, weg von Alltag und der vorangegangenen Festival-Begrüßung. Die geschenkten Blicke tragen die Spieler danach direkt in den Wald. Der mit Laub bedeckte Boden, das Licht und auch die starren Metallkonstruktionen im Bühnenbild vermitteln eine Stimmung, der man sich nur schwer entziehen kann.
Fünf Henker sind damit beauftragt, möglichst schnell möglichst viele Kriegsgefangene zu Leichen zu machen. Die Art des Todes, abhängig vom Dienstgrad des Gefangenen, ermittelt der erfahrenste Henker. Wulf Schmid Noerr verkörpert diesen mit solcher Ruhe und Autorität zugleich, dass man beim Hinsehen nicht einmal daran denkt, dass es sich hier um einen Schauspieler handeln könnte. Der Besondere unter den Henkern ist jedoch Abdias. Dieser sucht in seinem Handwerk, dem Töten, mystische Eingebungen. Das Licht Gottes hofft er durch das Vergehen des Lebens zu schauen.
Die religiöse Dimension versetzt den Besucher dabei noch tiefer in die mittelalterliche Sphäre des Stückes. Auch die passenden Kostüme vermittelten das Gefühl, man säße mitten in einem Spielfilm zur Zeit der Kreuzzüge. Dass sich Menschen, deren Handwerk das Töten ist, die Distanz dazu abgewöhnen, wird ebenso deutlich wie die Gefahr, sich in einen Blutrausch zu steigern und plötzlich Lust am Quälen zu entwickeln. Dass einige dieser Ausführungen sehr realitätsnah gezeigt werden, veranlasst sogar einige Zuschauer, die Vorstellung zu verlassen.
Ohne Frage, die Gewaltszenen, allein deren detaillierte Beschreibung im Text, lassen niemanden kalt, man kann sich der Atmosphäre nicht entziehen und bekommt unweigerlich eine Gänsehaut, wenn man hört, wie ein Messer am sich beständig drehenden Schleifstein kratzt. Die manische Suche des Abdias, und später auch seiner Kameraden, nach dem Göttlichen im Tödlichen wird im Text zwar deutlich. Spiel und Spannungsaufbau tragen diese Sehnsucht allerdings lediglich mit statt sie zu erhöhen.
Nikita Gibalenko spielt den sinnsuchenden Henker nicht nur präzise, sondern auch mit viel Spannung und dennoch Eleganz und erreicht damit eine einprägsame Präsenz auf der Bühne. Der Monolog im Kampf des verzweifelten Suchers hätte der krönende Abschluss sein können. Währenddessen wurde Altemann selbst, kopfüber hängend, ausgepeitscht. Anders als bei den vorherigen Gewaltszenen, wird hier aber nicht mit Theatertricks gearbeitet. In einem performativen Akt erfuhr der Autor und Regisseur selbst die Gewalt, von der sein Stück handelt.
So viel Mut zur Inszenierung könnte durch zahlreiche Besucher belohnt werde, wäre dies nicht die letzte Vorstellung gewesen von „Trompeten preisen den Totschlag“. Eine klare Antwort nimmt man nicht mit nach Hause – sehr wohl aber einen großen Schreck, Bewunderung für die sieben Spieler, Erstaunen über Lars Altemann, der sich erneut verprügeln ließ auf seiner Suche nach dem Mehr.
Bericht: Jana Taendler
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