Jetzt beginnt wieder die schlimme Zeit: Die Krokusse blühen und am Gesträuch schwellen die Knospen, prosperity and beauty, wohin man blickt. Dankenswerterweise kann der geneigte ‘Grufti‘ heute, am 28. Februar, in der Backstage-Halle unterkriechen, und zwar zum Band-Binge Watching. Wohlweislich wurde der Beginn auf 18:50 Uhr vorverlegt, denn der Spielmannszug aus Idle Hands, Uada, Tribulation und, an der Spitze, Gaahls Wyrd wird erst um halb 12 am Ziel kommen.
Idle Hands kommt die undankbare Aufgabe des verfrühten Anfangens zu – und sie meistern sie mit Bravour. Vor ein zunächst noch zerstreutes, doch alsbald wachsendes und mit wachsendem Interesse lauschendes Publikum treten die Jungspunde aus Portland, Oregon, Sänger/Gitarrist Gabriel Franco murmelt schnell irgendetwas wie ‚How you‘re doing?‘ ins Mikro und dann spielen sie einfach drauf los, eine äußerst gelungene und in ihrer lockeren, grobkantigen Darbietung an diesem Abend einzigartige Mischung aus – um ihre treffende Selbstbeschreibung zu zitieren – Iron Maiden, Sisters Of Mercy, Judas Priest, Depeche Mode, Scorpions, Satyricon… Diese unverkrampfte, dabei ernsthafte Attitüde sollte Schule machen. Idle Hands versuchen sich weder als Einheizer noch als die verkannte Hauptspeise zu profilieren – und überzeugen dadurch auf ganzer Linie.
Setlist: Nightfall / Blade and the Will / Can You Hear the Rain / Time Crushes All / I Feel Nothing / Give Me to the Night / By Way of Kingdom / Cosmic Overdrive
Keine Viertelstunde dauert es, bis die angesagten Uada die Bühne übernehmen. Die Amerikaner, die mit Idle Hands sowohl Heimatstadt als auch Label (Eisenwald) teilen, haben ihren Musikstil konsequent visualisiert und spielen in schwarzen Kapuzen-Kutten bei sparsamer Beleuchtung einen Querschnitt ihrer beiden Alben. Wie die Nazgûl teufeln die Musiker durch ein dreiviertelstündiges Set und ernten in den wenigen kurzen Verschnaufpausen, die sie sich und dem Publikum gönnen, nachdrücklichen Beifall. Auch zum Sound kann man Uada – wie auch alle anderen Bands – nur beglückwünschen, die zügigen Umbauarbeiten schlagen sich keineswegs negativ auf die Supportbands des gemischten Hauptdoppels Gaahls Wyrd und Tribulation nieder.
Setlist: Natus Eclipsim / Snakes & Vultures / Devoid of Light / Cult of a Dying Sun / Black Autumn, White Spring
Nach dringend nötigem Stoßlüften stellen sich um halb neun Tribulation ein. Die schwedische Gothic Metal-Kombo scheint geradewegs einem Totentanzgemälde entsprungen zu sein (Gitarrist Jonathan Hultén nimmt das mit dem Tanzen auch durchgehend sehr ernst) und wer Friedhöfe, schwarze Schminke, verrottende viktorianische Schönheiten und nicht zuletzt: stimmungsvollen, düsteren Rock/Metal schätzt, kommt in den folgenden 75 Minuten voll auf seine Kosten. Angenehm ist auch hier, dass Tribulation, trotz einer gewissen Extravaganz ihres Auftretens, mit Nachdruck die Musik in den Vordergrund stellen und mit dieser Professionalität ihre Darbietung auch für die ZuschauerInnen, die mehr aus Interesse an Gaahls Wyrd gekommen sind, genießbar machen.
Setlist: Lady Death / Melancholia / The Lament / The Motherhood of God / Suspiria de profundis / Cries from the Underworld / The World / Ultra Silvam / Nightbound / Strange Gateways Beckon / Lacrimosa
Idle Hands gibt es seit 2017, die Band kann eine EP und ein bald erscheinendes Debütalbum vorweisen. Gaahls Wyrd gibt es zwei Jahre länger, der bisherige Output des Projekts: Ein Song. Kristian Eivind Espedal alias Gaahl ist Ex-Sänger der Kultband Gorgoroth, eine der profiliertesten Gestalten im Black Metal-Universum, Maler. Dass das, was einem einen herausgehobenen Status in diesem Universum verschafft, meist von höchst zweifelhaften Charakter ist, beweist sich auch an Gaahl. Nachdem er mit seinem Kompagnon King ov Hell die Rechte am Namen Gorgoroth an Gitarrist Infernus verloren hatte, gründete er mit diesem das Projekt God Seed. Die Setlist, die in ihren Grundzügen der gleicht, mit der Gaahls Wyrd vor etwas mehr als einem Jahr im Backstage aufkreuzten (wir berichteten), speist sich demgemäß aus Songs von God Seed, Gorgoroth-Stücken aus Gaahls Feder, sowie seinem Primitiv-Black Metal-Side Projekt Trelldom. Ebenfalls identisch mit dem Konzert im Dezember 2017 ist die Wirkung, die Gaahl entfaltet. Nicht Gaahls Wyrd, sondern der Sänger allein. Die Frage, ob Ausverkauf, berechtigte Nostalgie, oder ‚keeping the spirit alive‘ Gaahls Live-Unternehmen besser beschreiben, lösen sich in der Präsenz dieses Mannes auf. Dieses Mannes, der wenig anderes macht, als gravitätisch auf und ab zu schreiten und ab und zu seine zum Markenzeichen gewordenen laschen Teufelshörer in die Lücken, die seine Musiker, die ihn wie eifrige Subdämonen umkreisen, offenlassen, in Richtung der Zuschauer zu stoßen. Vielleicht ist es gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen der aggressiven, herrschsüchtigen Art der Musik und der fast unsicher anmutenden Versunkenheit dieses Frontmanns, die Gaahl zum überdeutlichen Herr des Geschehens macht. Und ganz nebenbei liefert er noch ein überaus beachtliche Gesangsleistung ab; zwischen Klar-, Kehlgesang und traditionellem Schreien wirkt sein Vortrag sicherer und vielfältiger denn je.
Setlist: Sign of an Open Eye (Gorgoroth) / Carving a Giant (Gorgoroth) / From the Running of Blood (God Seed) / Aldrande Tre (God Seed) / Slave til en kommende natt (Trelldom) / Ghosts Invited / Høyt opp i dypet (Trelldom) / Awake (God Seed) / Wound Upon Wound (Gorgoroth) / Sannhet, Smerte og Død (Trelldom) / Incipit Satan (Gorgoroth) / Exit – Through Carved Stones (Gorgoroth) / Alt Liv (God Seed) / Prosperity and Beauty (Gorgoroth)
Bis nächsten Winter dürfte Gaahls Wyrd schon um ein paar Songs stärker sein (das erste Album des Projekts, „GastiR – Ghosts Invited“ ist für dieses Jahr angekündigt), doch selbst wenn nicht: Eine so lebendige Neuauflage des gleichen Alten, gepaart mit spannenden Begleit-Bands, bräuchte noch ein paar Wiederholungen mehr, um sich der Langeweile anzunähern.