Catching Fire – Tremonti im Technikum (Konzertbericht)

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Montag ist ja seit eh und je als absoluter Lieblingstag in Deutschland etabliert. Nach einem langen, ruhigen Wochenende früh aufstehen, mit den übervollen Öffis in die Arbeit fahren und dort dann, in Erinnerungen an den schönen Samstagabend schwelgend, die Zeit verbringen. Gibt es was Schöneres? Okay, die Überspitzung ist leicht zu erkennen, aber immerhin avanciert der Montag, 12. November 2018, tatsächlich zu einem glücklichen Wochenstart, besucht doch einer der großen amerikanischen Gitarrenhelden das Münchner Technikum: Tremonti. Das Projekt, benannt nach dem Namen von Mark Tremonti, seines Zeichens Gitarrist und Songwriter bei Alter Bridge und Creed, hierbei nun Sänger, Songschreiber und ebenso Gitarrist, läuft bereits erfolgreich seit einigen Jahren und durfte bereits auf ein ausverkauftes Konzert im Münchner Strom erst Mitte Juni zurückblicken. Ganz so voll ist es dann leider dieses Mal, fünf Monate später, nicht, aber die glücklichen Fans entschädigen für die eine oder andere etwas leere Stelle im Raum.

Obligatorisch zu einem Montagskonzert darf selbstredend nicht der Verkehrskollaps zum Wochenbeginn fehlen. So ist auch dieses Mal, dank einer Signalstörung am Ostbahnhof, alles zusammengebrochen. Deshalb, und weil die Herren von Disconnected bereits um 19:30 Uhr gestartet sind, müssen wir leider hier auf eine Berichterstattung verzichten – die S-Bahn wollte nicht so wie wir.

Immerhin pünktlich zum Beginn von The Raven Age zur PrimeTime um 20:15 Uhr sind wir dann doch einmal eingetroffen. Die britische Metal-Combo tourt gefühlt 365 Tage im Jahr durch die Welt, allein in München ist das nun der dritte Auftritt in einem Jahr – saubere Leistung. Bekannt sind sie vielen sicherlich als konstante Iron Maiden-Vorband, was kaum überrascht, ist doch der Sohnemann von Maiden-Bassist Steve Harris zugleich Gitarrist und Gründer des Rabenzeitalters. Völlig unabhängig dieses garantiert im Musikbusiness nicht hinderlichen Verwandtschaftsstatus liefern die fünf Musikern 45 Minuten astreine Show und glänzen durch starke Performance und einwandfreiem Sound. Etwas zu lang sind manche Lieder geraten, dafür geben die Kompositionen zu wenig her – neuere Songs wie „Surrogate“ erkennen das aber bereits und bügeln das aus. Well done!

Setlist: Betrayal Of The Mind / Promised Land / Death March / Salem’s Fate / Surroagte / My Revenge / Angel In Disgrace

Sehnsüchtig erwartet wird aber natürlich jemand anderes an diesem Abend, der gegen 21:20 Uhr sowieso schon überraschend früh auf der Bühne steht. Mark Tremonti nimmt seinen Platz an der Spitze ein und schießt gleich zu Beginn ein Metal-Feuerwerk mit „Cauterize“, „You Waste Your Time“ und „Another Heart“ ab. Das Publikum headbangt fröhlich mit, will sich aber bis zum Ende nicht zu mehr motivieren lassen – bei einem so grandiosen Musiker mit seiner feurigen Performance fast etwas zu zögerlich, aber gut, es ist ja erst Anfang der Woche. Für das Vierergespann ist aber wohl Samstagnacht, denn dort passioniert performt und soliert. Leider ist der Sound dann doch zu laut und letztendlich dadurch auch zu matschig geworden. Die Stimme geht in der Gitarrenwand unter und der Tinnitus am Folgetag ist doch wesentlich penetranter als sonst – Metal- und Rock-Konzert hin oder her, aber das überschreitet schon fast die Grenze des Ertragbaren.

Wenn von Tremonti gesprochen wird, ist natürlich nicht nur der namensgebende Frontmann gemeint, sondern auch seine drei Mitmusiker. Die spielen sich angenehmerweise so begeistert die Seele aus dem Leib, als würden sie die Lieder das allererste Mal vor Publikum darbieten. Besonders eindrucksvoll: Gitarrist Eric Friedman. Dieser hat es geschafft, sich während der Tour das Bein zu brechen und sich damit ultimativ zu handicapen. All das hält den Musiker aber nicht auf, ein 85-Minuten-Dauerfeuer-Konzert darzubieten – er sitzt kurzerhand auf einem Stuhl, steht aber dort gelegentlich auf, um dann wieder in den Stuhl zurückzufallen. Die Sitzpflicht stört ihn sichtlich – aber Tremonti selbst fordert oft genug Applaus für das Engagement des Gitarrenmannes. Respekt, sich nicht einmal von einem gebrochenen Bein aufhalten zu lassen, eine Tour am anderen Ende der Welt zu bestreiten.

Am meisten gefällt und überrascht aber die absolute Harmonie auf der Bühne. Nicht nur untereinander verstehen sich die Musiker sichtlich prächtig, auch die Crew selbst lächelt im Hintergrund und scheint wahrlich zufrieden. Selbst, als Tremonti und Friedman mit langandauernden, technischen Probleme gequält werden, bleiben sie ruhig und erklären ihren Mitarbeitern alles freundschaftlich und nett. Von hitzigen Überreaktionen – keine Spur. All das bestätigt auch das Bild, als Tremonti ankündigt, fünf Minuten nach Ende der Show am Merchstand zu stehen und mit den Fans zu quatschen. Der irrsinnige Meet & Greet-Wahn der amerikanischen Bands, den diese auch nach Europa zu bringen beginnen, ist angenehmerweise nicht bei ihm angekommen. Für einen so großen Musiker, der seit über zwei Dekaden für die unsterblichen und prägenden Lieder riesiger Rock-Bands verantwortlich ist, nicht nur irrsinnig sympathisch, sondern auch angenehm bodenständig.

Setlist: Cauterize / You Waste Your Time / Another Heart / Take You With Me / My Last Mistake / The Things I’ve Seen / Desolation / Trust / Catching Fire / So You’re Afraid / Flying Monkeys / Radical Change / Bringer Of War / Dust / Throw Them To The Lions / A Dying Machine / Wish You Well

Bericht: Ludwig Stadler