Der einzigartige Ton einer Weltgröße – Wynton Marsalis in der Isarphilharmonie (Kritik)

Veröffentlicht in: Startseite | 0

München hat wirklich ein paar wertvolle Anlaufstellen für Jazz-Fanatiker zu bieten, um soliden, teils experimentellen Jazz zu erleben. Doch wo liegen die Wurzeln genau dieser einzigartigen Musik des Genres, die wir heute punktuell in verschiedensten Winkeln der Stadt erleben können? Einer der erfolgreichsten Gegenwartstrompeter nimmt uns mit auf eine Reise zurück zum klassischen Bigband-Jazz und beweist, dass man auch mit über 60 noch das gewisse Etwas im Musizieren vermitteln kann. Wynton Marsalis und das „Jazz at Lincoln Center Orchestra“ traten am 19. Juni 2023 in der Isarphilharmonie auf.

Marsalis

Dabei scheint jedoch zunächst der Name der Veranstaltung für dezente Verwirrungen zu sorgen. Denn wird Marsalis im Titel stark singulär angepriesen, so scheint der Konzertabend doch genauso sehr bzw. sogar fast mehr im Zeichen seines Orchesters zu stehen. Der Star-Trompeter fügt sich mitten in das 15-köpfige Ensemble hinein, stellt sich nur selten heraus und lässt seinen Band-Kolleg:innen viel Raum zur freien solistischen Entfaltung. Das bringt Abwechslung und lässt das Publikum junge Jazz-Musiker:innen entdecken, die eben noch nicht den „marsalischen“ Sternchen-Status erreicht haben. Eins ist auf jeden Fall sicher: alle Performenden des Abends sind hochklassische Jazz-Interpret:innen und ein jedes Solo ein wahrer musikalischer Genuss.

Nun muss jedoch festgehalten werden, dass es sich bei der Jazz-Musik eines Wynton Marsalis schon eher um konservativen Big-Band Jazz handelt, der (leider noch) selten weibliche Musikerinnen fördert und beteiligt. Da freut man sich schon ein wenig, dass im „Jazz at Lincoln Center Orchestra“ zumindest eine Frau vertreten ist. Das sollte dennoch nicht der Normalzustand bleiben. Alexa Tarantino lässt sich von ihren männlichen Mitspielern nicht verunsichern und zeigt in einem herausragenden Klarinetten-Solo was Frauen im Jazz so drauf haben. Bitte mehr davon!

Im Konzertrepertoire des Abends sind Songs von Größen wie Dizzy Gillespie und Duke Ellington dabei, aber auch Eigenkompositionen von Marsalis selbst. Eingefleischte Jazz-Fans kommen hier definitiv auf ihre Kosten. Und der Altmeister haut neben seinen teils jungen Kolleg:innen ein fantastisches, experimentierfreudiges Solo nach dem nächsten raus. So ist es eine wahre Freude, seinem einzigartigen Trompetenklang zu lauschen sowie seine Spielfertigkeiten zu beobachten, die sich und sein Instrument immer wieder an die Grenzen des Spielbaren bringen. Der Abend stellt letztlich eine gekonnte, schöne Verbindung her: vom legendären, höchsterfahrenen Jazz-Trompeter bis hin zum jungen Tenorsaxofonist, der ganz neu im Orchester dabei ist – sie kommen alle mit einem Ziel, welches sie definitiv erreichen: Fantastische Jazz-Musik zu performen und das Publikum in Staunen zu versetzen.

Kritik: Rebecca Raitz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert