Seit ihrer Rückkehr auf die Live-Bühnen der Welt sind Sum 41 wahrlich nicht mehr aufzuhalten! Haben sie 2016 noch langsam begonnen und 2017 mit ihrem neuen Album eine noch verhalten angesetzte Tour gewagt, sind die Konzerte stetig größer geworden – erst Anfang 2020, kurz vor Pandemiebeginn, haben sie ein annähernd ausverkauftes Zenith bespielt. So ist es zwar dennoch beeindruckend, aber wenig verwunderlich, dass die Jungs um Deryck Whibley den Sprung in die Arenen wagen und so auch am 10. Oktober 2022 die Olympiahalle München besuchen. Unterstützung holen sie sich dabei aber von einem absoluten Hochkaräter der Pop-Punk-Szene: Simple Plan.
Dieses Band-Paket ist wohl so ordentlich und nostalgieerfüllend, dass die Stehplätze zackig ausverkauft waren und die Halle auch sonst äußerst würdig gefüllt ist – Pop-Punk funktioniert auch und vor allem wieder im Jahr 2022 bestens, wie man an Machine Gun Kelly oder der sich wieder selbst gefundenen Avril Lavigne sieht. Den Abend hier beginnt Cassyette um 19 Uhr, die auch eher die Flagge des modernen Alternative Rocks hochhält – ganz im Gegensatz zu den beiden Folge-Bands, welche zur alten Schule des Genres gehören. Das hört man bei Simple Plan, die pünktlich um 20 Uhr die Bühne entern, ab der ersten Minute: „I’d Do Anything“ wummert aus den Boxen und wird völlig ohne Backing-Tracks zum Besten gegeben. It’s only Rock’n’Roll – und München mag es!
Der Moshpit ist zwar zu Beginn noch etwas zögerlich, aber nach und nach lockert sich die Menge und gibt sich den unerwartet starken Simple Plan hin, die in ihren 60 Minuten alle Hits und wesentlichen Songs ihrer Karriere unterbringen. Und das sind viele und mehr als man zu Beginn im Kopf hat, wie beispielsweise „Summer Paradise“ oder die ikonischen „Welcome To My Life“ und „Your Love Is A Lie“. Auch an Textsicherheit mangelt es im Publikum nicht, was Frontmann Pierre Bouvier mehrfach austestet. Am frischesten klappt es witzigerweise bei einem über 20 Jahre alten Song, der zuletzt auf TikTok ein Trend wurde: „I’m Just A Kid“. Keine Frage, dass diese Hymne und die folgende Ballade „Perfect“ den Auftritt abrunden. Auch nach sechsjähriger Abstinenz in der bayerischen Landeshauptstadt lässt sich sagen: Simple Plan können es immer noch. Chapeau!
Setlist: I’d Do Anything / Shut Up! / Jump / Jet Lag / Your Love Is A Lie / Addicted / Welcome To My Life / Iconic / Summer Paradise / Cover-Medley / Where I Belong / I’m Just A Kid / Perfect
Schwere Geschütze fahren Sum 41 bereits zu ihrem Startschuss um 21:30 Uhr auf. Mit „Motivation“ und dem metallischen Part von „88“ gibt es Luftsäulen, Feuer, eine ausufernde Lichtshow und direkt zum folgenden „The Hell Song“ auch noch ein Glitzerregen-Gewitter. Was für ein Auftakt! Normalerweise kann es ab diesem Zeitpunkt nur noch bergab gehen, aber die fünf Musiker sind so extrem starke und eingespielte Live-Musiker, dass sie keine Sekunde einen Durchhänger haben und, angetrieben durch die runde Setlist, auch das Publikum durchgehend mitreißen. Die Moshpits in der Menge sind lange nicht mehr in dieser Größenordnung in der Olympiahalle zu sehen gewesen und werden durch Songs wie „Fake My Own Death“ und „Underclass Hero“ nur noch einmal angestachelt.
Das liegt natürlich auch am Tour-Motto, welches den Schwerpunkt auf die Erfolgsalben „All Killer, No Filler“ und „Does This Look Infected?“ legt, die gemeinhin als die beliebtesten Alben der Amerikaner gelten. Zwar haben sie musikalisch über all die Jahre hinweg niemals nachgelassen, sind düsterer geworden, aber unnachlässig stark, dennoch funktionieren in der Masse die fröhlichen Pop-Punk-Nummern aus den vergangenen Jahrzehnten am besten. Das bekommt die Menge auch in satten 100 Minuten zu hören, angestachelt von Sänger Deryck Whibley, der erstmals größtenteils auf seine Gitarre verzichtet und offensichtlich Kurse im Frontmann-Dasein genommen hat, denn er flitzt entertainend unablässig über die Bühne und heizt die Zuschauer*innen an. Man mag es kaum glauben, denn seit ihrer Bühnen-Rückkehr sind Sum 41 wahrlich jedes Mal sehr stark – aber auf dieser Tour legen die Musiker noch einmal eine nennenswerte Schippe drauf. Was für ein mächtiger und der Arena würdiger Auftritt!
Setlist: Motivation / The Hell Song / Over My Head (Better Off Dead) / We’re All To Blame / Summer / Fake My Own Death / War / Does This Look Infected?-Medley / Underclass Hero / Walking Disaster / With Me / In Too Deep / Makes No Difference / Pieces / We Will Rock You (Queen cover) / Still Waiting / Hooch – Zugaben: No Reason / Mr. Amsterdam / Fat Lip
Bericht: Ludwig Stadler