Sie sind eine der weltweit erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten, ihr Make-Up und ikonischer Schriftzug zieren wahrscheinlich bereits Millionen T-Shirts und lediglich die Scorpions können ihnen im Punkto Anzahl an Abschiedstourneen das Wasser reichen: Die Rede ist natürlich von KISS! Bereits vor der Pandemie waren die New Yorker Rockgiganten auf ihrer wahrscheinlich letzten Tour für „ein letztes Mal“ in der Landeshauptstadt München, doch nachdem sie durch Verschiebungen und Festivals nun doch noch einmal um den Globus kommen, gibt es am 17. Juni 2023 doch noch ein Encore, erneut auf dem historischen Königsplatz!
Die Wettervorhersage steht auf strahlendem Sonnenschein, als sich gegen 17:30 Uhr nach kurzer Verzögerung beim Einlass die Pforten öffnen. Neben der Bühne thronen riesige aufblasbare Abbilder der Band, wie ihr persönlicher Mount Rushmore. Viele Fans machen den üblichen Umweg zum Merchandise Stand, bevor es vor die Bühne geht, um sich noch ein Andenken an die nun wirklich letzte Show der Band in München mitzunehmen, drehen aber beim Anblick der horrenden Preise relativ schnell wieder um.
Ebenfalls mit einer kleinen Verzögerung geht es um circa 19:15 Uhr dann los mit dem Vorprogramm und keinem geringeren als einer der größten Rockbands Australiens: Airbourne! Nach den eher kleineren Supportacts auf den letzten Touren von KISS ein mehr als würdiger Special Guest für das letzte Konzert in den hiesigen Gefilden. Gewohnt energiegeladen sprintet die Truppe um die O’Keeffe Brüder über die Bühne. Leider hört das Publikum zunächst so gut wie nichts von der Musik. Auch nach ihrem Opener Ready to Rock ziehen sich die Soundprobleme weiter durch ihr Set, beirren lassen sie sich davon keineswegs und bringen Schlag auf Schlag ihre „AC/DC-esquen“ Rockhymnen aufs Parkett. Mit nun langsam besser werdendem Sound macht Frontmann Joel O’Keeffe gleich einmal einen Ausflug durch den gesamten ersten Wellenbrecher, getragen von einem definitiv unterbezahlten Roadie, natürlich verpasst er dabei auch noch (so gut wie) keinen Ton auf der Gitarre. Spätestens jetzt haben Airbourne das Publikum fest in ihrer Hand und haben sichtlich Spaß auf der Bühne. Mit ikonischer Sirene auf der Bühne zu Live it Up und ihrem größten Hit Running Wild beenden sie nach leider nur acht Songs ihr Set und haben mit ziemlicher Sicherheit einige Fans dazugewonnen.
Im Anschluss geht es schnell. Wie Ameisen huschen die Techniker und Bühnenbauer über die Bühne, bevor der übliche KISS-Vorhang vor der Bühne hochgezogen wird. Eventuell sinnbildlich für die langgezogene Abschiedstournee hat der Vorhand viel von seinem einstigen Glamour verloren. An einigen Stellen geflickt und die Pailletten mittlerweile matt thront der überdimensionierte KISS-Schriftzug einmal mehr über dem Publikum in München. Man könnte meinen, dass bei den angesetzten Merchandise Preisen zumindest seit der letzten Tour ein neuer Vorhang im Budget gewesen wäre. Dann ist es gegen 20:30 Uhr endlich so weit: „You wanted the best? You got the best!“ erklingt über die Anlage als zu Detroit Rock City die Band auf ihren Plattformen mit viel Feuerwerk auf die Bühne hinabgleitet. Seit Jahren müssen sich KISS immer wieder Playback Vorwürfe anhören, davon ist heute nicht viel zu hören. Bereits am Anfang des Sets fällt Gene Simmons Mikrofon aus, der dann notgedrungen an Thayers Mikrofon wechselt. Auch Paul Stanley wird maximal von den üblichen Backing Tracks unterstützt, denn auch hier sitzt nicht jeder Ton, was der sonst so durchgetakteten Show allerdings eher guttut, und für mehr Authentizität und Leben sorgt. Show- und Setlist-technisch geht es fast identisch wie 2019 durch den Abend, abgesehen von ein zwei Änderungen Verschiebungen, sowie einem Hauch weniger Bewegung auf der Bühne.
Nichtsdestotrotz merkt man fast wieder ein wenig mehr Spielfreude in der Band, es wird ein bisschen „herumgeblödelt“ und sich gegenseitig auf freundlichem Niveau „sabotiert“. Das Publikum ist wie schon die Jahre zuvor ab dem ersten Ton textsicher und mit voller Kraft dabei, jedes Alter ist vertreten. Über die letzten Jahre gab es immer wieder kleine Aussetzer von Simmons, Kreislauf hier, Rücken da, auch heute merkt man ihm den Zahn der Zeit etwas an, auch wenn er mit seinen stolzen 73 Jahren nach wie vor ein Leistungsträger der Band ist. Feuerspeiend, blutspuckend und (nicht mehr ganz) fliegend liefert The Demon einen Großteil der Show ab. Allerdings dürfen nicht nur Stanley und Simmons glänzen, wie schon bei den letzten Shows ist das Rampenlicht (fast) gleichmäßig verteilt und Thayer und Singer bekommen ihre Solo-Passagen. Anders als Genre-Kollegen Mötley Crüe wirken KISS nach ihrem erneuten Zoff mit Ex-Mitglied Ace Freheley fast ausgeglichener und harmonischer denn je. Nach einem absoluten Best-Of Set, einer absurden Menge an Feuerwerk und Paul Stanleys Ausflug in die Mitte des Publikums ist es Zeit für die Zugabe der Zugabe. Mit der von Eric Singer gesungenen Ballade Beth, ihrem wohl größten Hit I Was Made For Lovin‘ You und dem perfekten Abschluss Rock and Roll All Nite verabschieden sich KISS endgültig aus der Landeshauptstadt und werden vom rappelvollen Königsplatz gebührend verabschiedet. Es ist das wohlverdiente, würdevolle Ende einer Ära.
Setlist: Detroit Rock City / Shout It Out Loud / Deuce / War Machine / Heaven’s On Fire / I Love It Loud / Say Yeah / Cold Gin / Lick It Up / Makin‘ Love / Calling Dr. Love / Psycho Circus / 100,000 Years / God Of Thunder / Love Gun / Black Diamond – Zugaben: Beth / I Was Made For Lovin‘ You Baby / Rock and Roll All Nite
Bericht: Luka Schwarzlose
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