Die Rettung der Welt war selten aktueller als in den heutigen Zeiten der Klimadebatte. Aleksey Igudesman und Hyung-ki Joo gehen in ihrem gleichnamigen Musik-Comedy-Programm allerdings auf die zwischenmenschliche Ebene und möchten die Menschheit aus dem Strudel des langweiligen, monotonen Trotts reißen – das Mittel der Wahl heißt Kreativität.
Zuerst wird unter Zuhilfenahme des Publikums über die Frage philosophiert, was das hier im Prinzregententheater eigentlich ist. Eine Show? Ganz sicher nicht. Babywäsche? Auch nicht. Sondern ein Zirkuszelt. Nach dieser Eröffnung ist bereits klar, Igudesman an der Geige und Joo am Klavier, wissen wovon sie reden, wenn es um Kreativität, Humor und Nonsens geht – Grundvoraussetzung für das gesamte Programm dieser Show – Entschuldigung – dieses Zirkuszelts am 16.10.2019.
Das erste urkomische Medley speist sich aus Leonard Bernsteins West Side Story, Maria wird zum Running Gag des Abends. Regelmäßig durchbricht das Duo die vierte Wand – vorwiegend zum Leid (oder zur Freud?) der ersten Reihe, die zunächst partiell und am Ende geschlossen auf die Bühne geholt wird. Andererseits handelt sich das Auditorium aber auch Ärger ein: „Das? Ein gutes Publikum?! Die kritisieren uns doch nur,“ – als Kritiker*in rutscht man ertappt auf dem Stuhl herum – „und außerdem sind sie immer krank und husten!“ Eine Bilanz über das klassische Konzertpublikum, die zweifellos ein Körnchen Wahrheit enthält…
Noch eine Feststellung, die Igudesman & Joo treffen: Klassische Musik ist viel zu lang, die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums viel zu kurz. Daher werden einfach alle populären Konzerthausschlager auf fünf Sekunden heruntergekürzt. „Das spart enorm Zeit“, konstatiert Joo ganz zutreffend.
In die politische Richtung geht es spätestens, als Richard Wagner sein Fett weg bekommt (vielleicht stellvertretend für alle Antisemiten?), indem das Duo seine Musik im Klezmer-Stil interpretiert. Durchaus eine Genugtuung, wie der Walkürenritt in Richard won’t like this demontiert wird.
Ursprünglich klassisch ausgebildete und studierte Musiker, sind Igudesman & Joo aber ebenso routiniert und passioniert im Jazz zuhause. Allein sich als Zuschauer alle Stücke, Songs, Komponisten und Songwriter zu merken, die im Laufe des Abends zitiert werden, ist kaum möglich. Beethoven trifft auf Billy Joel, Rachmaninoff auf Ray Charles, dazwischen Mozart, die Beatles, Chopin und Queen. Eine körperliche und geistige Meisterleistung der beiden, die zahlreichen, unbestreitbar virtuosen Arrangements inklusive Gesang so rasant und wild durcheinander abzufeuern. Dazwischen Flachwitze („Was ist rot und unsichtbar? – Keine Tomaten.“), kleinere und größere Beleidigungen des Bühnenpartners und (natürlich subtilst) eingebaute Schleichwerbung für das Buch zur Show – das eigentlich eine Banane ist…
Zum Ende bekommt das Publikum noch wertvolle Lebensweisheiten mit auf den Weg („Das Leben ist schön. Ja.“). Auch darin steckt mindestens ein Körnchen Wahrheit.
Und selbst wenn einem kurz vor der Show das Fahrrad geklaut wurde – man verlässt den Saal in bester Laune, für zwei Stunden aus der grauen Alltagswelt gerissen und vielleicht mit der nachhaltigen Erkenntnis, dass mit Kreativität, Humor und einem kleinen bisschen Wahnsinn noch nicht alles verloren ist.
Kritik: Bea Mayer