Crazy Again! So lautet nicht nur die aktuelle Single der Band Gossip, sondern wohl auch ein wenig ihr Motto der letzten Jahre. Ursprünglich 2016 vorerst aufgelöst, hatte die Art Rock-Band im Laufe ihrer Karriere einen wahrlich grandiosen Lauf. Mit u.a. „Heavy Cross“ und „Move In The Right Direction“ haben sie den Hörer*innen waschechte Hits beschert, die Frontsängerin Beth Ditto ist unlängst zu einer Queer-Ikone geworden, weil sie Konventionen gesprengt hat und stets kompromisslos zu sich und ihrer Art stand, weit bevor das in der Musikindustrie üblich war. Letztes Jahr dann die überraschende Ankündigung: Gossip ist zurück, mit dabei ein neues Album mit dem wunderbaren Titel „Real Power“. Damit kommen sie am 18. August 2024 auch in die Theaterfabrik München.
Wer sich durch Regen und Schienenersatzverkehr in die Halle gekämpft hat, wird erst einmal mit Support-Band Lime Crush belohnt. Wobei, ob das einer Belohnung gleichkommt, ist wohl sehr subjektiv. Die Wiener Band versteht es, schnell-rotzigen Indie-Punk irgendwo zwischen Bad Religion und Joy Division zu spielen, was fraglos bestens zum Abend passt. Schon nach zwei Liedern werden die Instrumente durchgewechselt, es sollte nicht der einzige bleiben. Durch die Kürze der Songs bleibt es definitiv abwechslungsreich, dennoch haben die Stücke vor allem instrumental Tragkraft, gesanglich bleibt Luft nach oben. Dennoch: das halbstündige Intermezzo passt wunderbar als Einheizer für die Hauptband.
Kein Vergleich ist es aber, als um 21:05 Uhr die Bandmitglieder von Gossip auf die Bühne schreiten und „Listen Up!“ anspielen. Kurz darauf stürmt auch Beth Ditto die Bühne, mit den innerhalb des Album-Zyklus ikonischen orangenen Haaren. Gefackelt wird nicht lange, die Band spielt energisch auf, Ditto geht stimmlich in die Vollen und spätestens beim dritten Lied „Act Of God“ wird fleißig getanzt. Das spannend-gemischte Publikum, irgendwo zwischen Arte-Liebhabern, Radio-Hörer*innen und Queer-Community, ist jedenfalls ordentlich mitgerissen. Die etwas unbekannteren Stücke stoßen da zwar auf wenig Resonanz, die Hits wie das tanzbare „Move In The Right Direction“ oder auch die neueste Single „Crazy Again“ funktionieren aber bestens.
Im Zentrum wie die Sonnenkönigin: Beth Ditto. Sie ist in Plauderlaune, erzählt Anekdoten von deutschen Imbissbuden, den Anfängen der Band in deutschen Gefilden oder präsentiert das wundervolle „LGossipBTIQ“-Schild, welches ihr aus dem Publikum erreicht wird. Auch ihre Band-Mitglieder zieht sie humorvoll durch den Kakao, besonders gern natürlich ihren kreativen Partnerkopf Nathan Howdeshell an der Gitarre. All das lenkt aber nicht davon ab, wie stark und treffsicher Dittos Stimme ist – die Töne finden alle ihren korrekten Weg und begeistern die Münchner*innen. Da vergisst man auch gern, dass ihr einfach die zweite Strophe von „Love Long Distance“ nicht einfallen mag, bis ihr jemand ein Handy mit dem Text aus dem Publikum reicht. Sie nimmt es mit Humor, die wilde Rockstar-Zeit sei ja sowieso schon vorbei: „It’s too late for me to die young.“ Für ein grandioses Konzert, das seinen Abschluss in den Hits „Standing In The Way Of Control“ und „Heavy Cross“ findet, ist es aber nie zu spät. Chapeau!
Setlist: Listen Up! / Four Letter Word / Act Of God / Love Long Distance / Your Mangled Heart / Men In Love / Give It Up For Love / Get Lost / Turn The Card Slowly / Move In The Right Direction / Jason’s Basement / Coal To Diamonds / Crazy Again – Zugaben: Yesterday’s News / Standing In The Way Of Control / Heavy Cross
Bericht: Ludwig Stadler
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