Vor langer Zeit – „Comedian Harmonists Today“ im Gärtnerplatztheater (Kritik)

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Der Ersatzspielplan des Gärtnerplatztheaters ist schier unersättlich, genauso wenig wie wir. Keine Frage also, dass die Rückkehr der Comedian Harmonists Today definitiv eines der Highlights auf diesem Plan darstellt. Durch die recht kurzfristige Erhöhung auf 200 Personen können, dank Doppelvorstellung, ganze 400 Interessierte diese Musik aus einer Zeit hören, die sich bald zum 100. Mal jährt. Am 19. Juli 2020 um 18 Uhr startet die erste Runde, um 20 Uhr gibt es die rund 75-minütige Revue noch einmal. Und dass die Musik der 20er und 30er immer noch wunderbar funktioniert, beweisen seit mittlerweile Jahrzehnten Max Raabe mit seinem Palastorchester. Kann also nichts schiefgehen – oder?

© Anna Yve

Ein wenig schwierig gestaltet sich der Einlass: trotz Nutzung von nur jeden zweiten Reihen stehen die ungenutzten Stuhlreihen weiterhin im Saal. Das macht es doch zur Spielerei, wenn man am Rand sitzt und plötzlich eine Person kommt, die in die Mitte muss – Vorbeidrängeln ist zurzeit tabu. Ein Akt, den man sich womöglich mit der Reihenentfernung sparen könnte, so bedauerlich dieser Prozess auch ist. Nichtsdestotrotz: wenn alle ihren Platz eingenommen haben, sich um 18:05 Uhr klassisch das Licht dimmt und die Stimme von Intendant Josef E. Köpplinger die Gäste begrüßt, ist alles genau so, wie es sein sollte und irgendwie immer war. Die fünf Sänger-Barden zuzüglich Pianist Jörg Daniel Heinzmann erzählen die Geschichte der Comedian Harmonists, einschließlich der düsteren Zeiten im Nationalsozialismus. Dazu wird der Abstand auf der Bühne zwar völlig missachtet, aber wenn man sich aus dieser Dauerverurteilung löst und einfach nur das Produkt an sich genießt, bleibt ein dramaturgisch cleveres und liebevoll inszeniertes Storytelling mit den großen Songs aus der Ära der originalen Harmonists.

Was nicht fehlen darf? Natürlich: „Veronika, der Lenz ist da“, „Ich wünscht ich wär ein Huhn“ und das legendäre „Mein kleiner grüner Kaktus“. Auch die Band-Imitationen, in denen die Sänger dementsprechende Instrumente und Effekte nachahmen, sind im Programm und bringen das Publikum zum Lachen, wenngleich hier ein wenig mehr möglich gewesen wäre. Die Bedrohung seitens der Nationalsozialisten wird allerdings auch in der erzählten Geschichte mit jeder Minute mehr und dementsprechend legt sich ein dunkler Schleier bereits auf die Lieder. Letztendlich: drei Mitglieder sind Juden, es folgt die Auflösung. Als Meistersextett wird in Deutschland weiter musiziert, die Comedy Harmonists wiederum im Ausland. 1941 ist aber selbst für diese Gruppierungen Schluss. Und obwohl alle Mitglieder den Krieg überlebt haben, zusammen aufgetreten sind sie doch nie wieder. Immerhin halten die Comedian Harmonists Today das Andenken musikalisch und theatralisch frisch. Ein feiner Abend.

Kritik: Ludwig Stadler