Mit einem lachenden, aber auch weinenden Auge gehen die gut 500 Besucher auf die diesjährige Ausgabe des mittlerweile zum sechsten Mal stattfinden Punchfests, dieses Mal am 13. Dezember 2019 in Backstage Halle & Club. Mit einem lachenden Auge alleine deshalb, weil man die komplette Area des Backstage Clubs für Spiel, Spaß und Frei-Eis vom verrückten Eismacher nutzt und dadurch die Leute immer wieder in den Umbaupausen zwischen den Konzerten eben genau dorthin lockt. Aber zugleich ist es eben das letzte Konzert mit apRon-Frontmann Till Herence – genau der, mit dem die Band in den letzten drei Alben deutlich auf deutschlandweit erfolgreichem Kurs unterwegs war und maßgeblich dazu beigetragen hat, dass apRon zu diesem Szene-Liebling herangewachsen ist.
Natürlich wäre es nicht das Punchfest, wenn es nicht allerlei Gimmicks gäbe – neben dem bereits erwähnten Eis (Sorten: Glühwein, Gebrannte Mandeln, Augustiner, Dominosteine) kann man stilechte Steampunks bewundern, sich von Stelzenfrauen in Renaissance-Kleidern begrüßen lassen oder auch einfach in den Umbaupausen bestens von einem skurril-humorvollen Mix aus Gaukler und Heinz Erhardt unterhalten lassen, inklusive der ersten Konfetti-Kanone des Abends. Nebenan in der Halle startet das musikalische Programm um 19 Uhr mit This Is Not An Elephant und damit überraschenderweise ausgetauschten Running Order – statt Password Monkey rutschen nun Safran Jacket an den Platz des Direct Supports, während erstere den Mittelplatz übernehmen. Immerhin: ein kleines Schildchen an der Eingangstür weist auf die Running Order hin.
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So legen Password Monkey alsbald um 19:55 Uhr mit ihrer mitreißenden Interpretation klassischer Hardrock-Melodien los. Keine Angst, hier wird nicht gecovert, die Songs sind allesamt selbstgeschrieben, gesellen sich aber in beste Gesellschaft von Genre-Kollegen wie Led Zeppelin oder modernere Vertreter wie Alter Bridge. Tatsächlich erinnert die extrem starke Frontstimme von Sänger Fabian Lichtenstern an Myles Kennedy, im besten Sinne – doch auch ganz ohne Vergleiche können die Performance und der ausgeglichene Sound vollends überzeugen, insbesondere im technischen und musikalischen Können aller Musiker!
Ganz so euphorisch mag das bei Safran Jacket im Folgenden nicht gelingen. Der Sound ist einfach so undefiniert gemischt, dass letztendlich nur ein ziemlicher Metal-Matsch aus den Boxen hämmert. All das wäre weniger dramatisch, wenn die Songs dafür mitreißend und pointiert genug komponiert sind, was leider nur in Ausnahmen der Fall ist. Wenn sich so viele begabte Musiker aus NuMetal, Crossover und Alternative Metal zusammenfinden, wieso ist das Resultat dann nur Durchschnitt? Schade.
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Der wesentliche Teil des Abends ist so nun aber zum Greifen nah und damit auch das flotte Füllen der Halle. apRon selbst legen um 22:10 Uhr los, das Intro erschallt und sowohl Schlagzeuger Medusa als auch Sänger Till Herence humpeln mit Krücken auf die Bühne – was für ein Timing, dass sich beide, unabhängig voneinander, eine Fußverletzung zugezogen haben. Aber scheiß drauf, Punchfest ist nur einmal im Jahr und die letzte Herence-Show soll ja etwas Feines werden, daher werden die Gehhilfen weggelegt und tatsächlich 100 kommende Minuten durchgezogen, angefangen mit „Party auf dem Ponyhof“ des neuen Albums „Der Calamari Cult“. Dieses ist sogar so neu, dass es direkt zum Tag des Punchfests erscheint, was ein guter Grund für die Band ist, nun doch noch einige Nummern davon in die Setlist aufzunehmen, wie auch die Single „Luftschloss“ oder das eindrucksvolle „Wenn ich mal groß“. Zeitgleich dazu: Konfetti, Konfetti, Konfetti, so viel wie nie zuvor. Wenn man einen Abschied gebührend feiern möchte, dann nur damit, und nicht zu sparsam.
Das größte Kompliment sei es, wenn fremde Menschen einem erzählen, wie sehr die eigene Musik gefällt, erzählt Herence gen Ende in seiner kleinen Abschiedsrede. In letzten Jahren dürfte das des Öfteren vorgekommen sein – mit „Der Punch“ gelingt der Band 2014 nicht nur ein Imagewechsel in die deutschsprachigen Gefilde, sondern eines der besten Alben des Jahrzehnts, gekoppelt an einer Rahmenhandlung, die es in Comicform zusätzlich zu erwerben gibt. Ein irrsinniges Projekt, das Aufsehen erregt und die Band, auch nach Support-Touren mit Hämatom, Clawfinger und Megaherz, mittlerweile als Name in der deutschsprachigen Musiklandschaft etabliert. Das folgende „Auf dem Ponyhof“ setzt dort nur an und bringt letztendlich sogar ein eigenes Street Team hervor, das auch am Tag des Punchfests wieder aktiv vor Ort ist. Logisch, dass apRon sich in ihrem Auftritt auf ebendiese Werke am stärksten beziehen und mit einem wilden Best-Of daraus vorerst verabschieden. „Wenn der Damm bricht“ steht dort wohl sinnbildlich für die Bandhistorie, die nun zum zweiten Mal ohne Mann am Mikrofon da steht. Wie es in Zukunft weitergeht, das bleibt noch ungewiss.
In der Mitte des Raumes steht ein Jugendlicher mit Punch-T-Shirt, knapp oder gerade die Volljährigkeit erreicht. 2014, bei der ersten Auflage des Punchfests, steht er in der ersten Reihe, damals noch ein Kind, das mit seinen Eltern dieses Konzert besucht. Vielleicht mag die jüngste Bandphase mit Till Herence nicht jahrzehntelang gewesen sein, aber dennoch sind sichtlich Menschen mit dieser Musik aufgewachsen, wurden geprägt; für manche waren die Klänge eine Stütze in schweren Zeiten. Niemand hat je gesagt, dass es einfach wird – aber das als Resultat ist doch vielleicht das Größte, was man mit Musik bewirken kann. Mach’s gut!
Setlist: Party auf dem Ponyhof / GFLLT MR NCHT MHR / Mensch aus Glas / Was mich kaputt macht / Das Krokodil / In Cerebrum Cacatur / Morgen / Joey der Clown / Leinen los / Wenn der Damm bricht / Taktstock / Luftschloss / Zirkus / Hangman – Zugaben: Alice D. / Vorhang Auf / Wenn ich mal groß bin / Mr. Punch / So leer
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Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Thomas Steinbrunner