„Seit wann sind denn die Fans von Letzte Instanz durchgehend maximal 16 Jahre?“, könnte man denken, wenn man sich an diesem Freitag, 6. April 2018, zum Backstage München bewegt. Doch dabei führt die Schlange direkt in das Werk zum Neon-Festival – Entwarnung und Erleichterung. Das Publikum, das für die Streicher-Rocker Letzte Instanz gekommen ist, muss sich nur einmal an der tobenden Jugendmenge vorbeischlängeln, direkt in die Backstage Halle. Dort ist der Dresscode dann auch nicht mehr so farbig wie draußen, sondern wesentlich schwärzer und ebenso älter, sogar überraschend alt. Nicht die üblichen Vertreter der schwarzen Szene sind heute aufgetaucht, sondern vor allem die Fans, die die Band bereits seit etlichen Jahren begleiten und ihr erstes Headliner-Gastspiel mit elektrischen Programm seit ganzen sechs (!) Jahren nicht verpassen wollen. So ist die Halle zwar noch weit vom Ausverkauf entfernt, aber dennoch angenehm gefüllt, als um 20 Uhr das Licht von der Dunkelheit abgelöst wird.
Selbstredend hat die Instanz nicht nur irgendeinen Support im Gepäck, sondern ebenso ein außergewöhnliches Szene-Juwel, nämlich Die Kammer – in „maximal minimierter Form“. Das heißt also, dass nur Marcus Testory an Gesang und Akustik-Gitarre und Matthias Ambré an Akustik-Gitarre und Backing-Vocals anstatt der üblichen Achter-Konstellation auf der Bühne stehen – dem wurde sogar eine EP gewidmet. Die wird aber nur teilweise im knapp 45-minütigen Set gespielt, stattdessen gibt es einen Querschnitt aus der gesamten Diskographie, inklusive Gast-Auftritt von Benni Cellini am Cello bei den letzten beiden Songs „Mirror“ und „Sinister Sister“. Auch wenn die Songs musikalisch prinzipiell funktionieren, wirkt Testory als Sänger nicht durchgehend tonsicher und verliert sich auch in den Ansagen teilweise in einer etwas kruden, unlustigen Version eines Alexander Wesselsky – was da jetzt genau gesagt werden sollte, bleibt meistens im Dunkeln. Sicher, sie erfüllen ihren Job als anheizender Support in bestem Maße, und letztendlich ist ja auch genau das der Anspruch an diesem Abend.
Setlist: The Line Of The Last Resistance / Slipping Around The Corner / ? / Till The Break Of Dawn / Fate/Illusion / Taught To Survive / Mirror / Sinister Sister
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Pünktlich um 21 Uhr wird es wieder düster und die Musiker von Letzte Instanz betreten nach und nach spielend die Bühne, um anschließend im Opener „Morgenland“ zu münden. Das Publikum, vorrangig auch für die Hauptband gekommen, taut allerdings nur langsam auf, vielleicht ist die akustische Musik der Kammer noch zu gegenwärtig, vielleicht liegt es an der maßlos zu leisen E-Gitarre, die erst ab der Mitte des Songs „Schwarz“ endlich die verdiente Lautstärke bekommt. So richtig springt der Funken erst bei „Das schönste Lied der Welt“ und „Asche zu Gold“ über, die wohl härtesten Lieder des Abends. Genau dort sind die Musiker aber am stärksten, denn während ihre balladesken Lieder fraglos teilweise große Melodien aufweisen, funktionieren diese auf Platte besser als auf einem Konzert einer Tour, die bereits im Voraus in Interviews so angekündigt wurde, dass es endlich wieder richtig schweißtreibend werden solle.
Schweißtreibend wird es zwar im Publikum nicht so richtig, aber auf der Bühne geben die Musiker sichtlich alles und verausgaben sich vollkommen in ihrem rund 105-minütigen Set aus angemessen vielen alten und fast etwas zu wenig ganz frischen Songs aus dem aktuellen Werk „Morgenland“. Letzte Instanz haben das Glück und fast Alleinstellungsmerkmal, nicht nur wirklich wirksame und mitreißende Musik, die weit über den Standard-Gothic-Brei hinausgeht, zu komponieren, sondern auch textlich sowohl in Aussagekraft als auch schlichtweg intellektuell zu punkten. Leider eine Seltenheit in der Szene. Umso bedauerlicher, dass manche Ansagen auf die üblichen, ziemlich stumpfen Mann-Frau-Witzelchen zurückgreifen müssen – das passt dann wohl besser zu Bands wie den silber-angesprühten Kollegen, die textlich und musikalisch das noch einmal unterbieten können. Das alles ist bei der Instanz aber nicht der Fall – Lieder wie „Mein Land“ und „Jeden Morgen“ bestechen mit einer klaren, aber unfassbar erfrischenden Lyrik.
Das restliche Rockstar-Image der Band auf der Bühne ist aber mehr als gerechtfertigt, denn mit der vollgepackten Setlist gönnen sie sich keine Pause, sondern steuern geradlinig geradeaus mit kleinen und großen Highlights, wie beispielsweise das Lied „Schuld“ aus dem Jahr 2012, welches mit einer mächtigen Sound-Wand auffährt. Das Licht ist dabei aber selten auf die Musik abgestimmt und mindestens einen Viertel-Takt zu spät dran, um tight auszugehen – das ist meistens kein großes Manko, beginnt aber wie beispielsweise in „Mein Land“ mit dem Einsatz des Strobos unangenehm aufzufallen. Weniger wäre hier mehr gewesen. Das gilt auch für die andauernden Aufforderungen zum „Hey“-Rufen und Mitklatschen. Keine Frage, das Publikum soll animiert und motiviert werden, aber als Musiker und Künstler, denen es wichtig ist, dass man zuhört, sollte man bei manchen Liedern auch einfach die Möglichkeit geben, nur zuzuhören und ein wenig dazu zu tanzen. Das ist nämlich äußerst schön und lässt die Konzertbesucher danach manchmal noch einen Ticken glücklicher das Konzert verlassen. Glücklich sind die Besucher des Konzerts von Letzte Instanz aber fraglos dennoch , als um etwa 22:45 Uhr das Licht wieder angeht. Gerechtfertigt, denn die Abstriche trüben nicht die tolle Performance und die starken Lieder!
Setlist: Morgenland / Maskenball / Schwarz / Das schönste Lied der Welt / Asche zu Gold / Schau in mein Gesicht / Disco D’Amour / Blind / Der Garten / Wir sind eins / Mein Land / Schuld / Jeden Morgen / Der Kuss (mit Johanna Krins) / Flucht ins Glück / Tränen aus Stein / Komm! – Zugaben 1: Das Gerücht / Mein Todestag / Wir sind allein – Zugaben 2: Rapunzel (mit „Die Ärzte – Junge“-Cover) / Noch einmal
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Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Ronja Bierbaum
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