Ein paar einzelne Männer hatten sich dann doch in die Menschenmenge gemogelt. Wenn man darüber aber hinwegsah, stand der Tourauftakt der Band K.I.Z. in der Münchner TonHalle am 28. Februar 2018 ganz im Zeichen der Frau.
Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März werden die drei Rapper Tarek, Maxim und Nico eine Woche Konzerte nur für Frauen geben – keine verkleideten Männer erlaubt, darauf wird ausdrücklich auf der Facebook-Seite hingewiesen. Die Besonderheit diesmal: es findet nicht nur ein einmaliges Konzert in Berlin statt, wie die sieben Jahre zuvor, sondern eine ganze Tournee mit acht Stationen in Deutschland, Wien und Zürich.
Start also in München, die TonHalle ist ausverkauft und füllt sich mit jungen Frauen, die davor in der Kälte ausharrten, um die Berliner Jungs zu sehen. Kartenabreißer, Barmänner und Bühnenarbeiter tragen heute alle blonde Langhaarperücken, die Barfrauen im Gegenzug aufgeklebte Schnurrbärte. Lange ist dem Publikum nicht mehr kalt, denn Vorband – oder treffender: Vorheizer – ist das DJ-Duo Drunken Masters, die sich pünktlich um halb acht hinter das DJ-Pult begeben. Die beiden, Joe und Chrissi, sind ebenfalls mit Rock/Kleid und Perücke bekleidet. Ein Set mit bekannten Hip-Hop-Hits wie Haftbefehls „Lass die Affen aus’m Zoo“ oder DJ Khaleds „All I Do Is Win“ in mitreißenden Remixen aufgelegt, treibt den Kreischpegel schon von Anfang an nach oben. Die Songs, oft als knackige 30 Sekunden-Versionen zu hören, fließen ineinander und geben ein beachtliches Tempo vor. Die halbe Stunde erinnert an eine überfüllte Clubnacht. „Seid ihr bereit für Maxim, Nico, Tarek?“, ruft Joe. Ja, das sind sie.
Schon 15 Minuten vor Beginn werden die Rufe nach den Rappern laut. Im Hintergrund der Bühne hängt riesig das Logo der Band, der Notenständer (Penis mit Violinschlüssel). Diesmal aber mit einem dicken roten Verbotsschild überdruckt.
Als erstes tritt Nico auf. Manche schauen verblüfft, denn mit dem professionell aufgetragenen Make-Up, dem rotem Bademantel aus glänzendem Stoff und den wallenden braunen Locken ist er nur schwer als Nico zu erkennen. Maxim besticht im Ballettkostüm á la Taylor Swift im Musikvideo zu „Shake It Off“ und Tarek trägt eine Nonnenhaube gepaart mit geschnürter Korsage und einen kurzen schwarzen Rock. Ein ohrenbetäubendes Kreischen der Menge. Jetzt wird klar, dass sich fast ausschließlich Frauen im Publikum befinden. Der Fokus liegt aber sowieso auf den drei Jungs, die sich in einer Dreierreihe aufgestellt haben. Nach den Schreien wird jetzt textsicher zu „Wir“ vom neuen Album mitgerappt: „Es liegt an eurem geistigen Fassungsvermögen, wenn ihr bei K.I.Z. nicht lacht, ihr Amöben“.
„Wo sind die böhsen Mädchen?“, fragt Maxim, bevor sie zum gleichnamigen Song ansetzen. Die Menge tobt. Maxim wackelt mit seinem Tüllrock und schauspielert zum Inhalt der Lieder, manchmal grinst er. Nico geht ganz in seiner Rolle als Diva auf, spitzt die Lippen zum Schmollmund, während er wie ein Model post und schlürft ab und an ein Gläschen Sekt. Das bietet er auch seinen „sisters from another misters“ an, wie er Tarek und Maxim nennt. Das Publikum lacht und kreischt. Zwischen den Songs platzieren die Rapper, die oft in der Kritik wegen vermeintlich sexistischer Texte standen, feministische Slogans. Das macht die Situation noch absurder. „Wir sind unabhängige Frauen, die ihr eigenes Geld verdienen!“, ruft Tarek – die Menge johlt.
Als sie fragen, wie das Publikum denn Maxims Kleid fände, rufen die Frauen „Ausziehen“. Kurz stutzen die Drei, aber dann antworten sie in gewohnter K.I.Z.-Manier: „Ihr verhaltet euch wie die letzten Arschlöcher. Ist ja wie im Schweinestall hier.“ Und bleiben angezogen. Die Menge jubelt trotzdem. Bei dem Song „Ehrenlos“ beginnen die ersten Moshpits zu eskalieren und die Tonhalle kocht. Bei „Ringelpiez mit Anscheißen“ fliegt der erste BH auf die Bühne. Maxim zeigt sich empört und hält ihn sich an die Brust. „Der ist viel zu klein. Bodyshaming ist das“.
Die Performance der Rapper funktioniert vor allem wegen der Ausdrucksstärke während des Raps und der Interaktion mit dem treuen und textsicheren Publikum. Jeden Song mit jeder Line rappen sie mit. Dadurch fällt gar nicht weiter auf, wenn sich Tarek kurz „verrappt“.
In wenigen Momenten brechen sie aus der Rolle der Frau aus, wenn Nico von alten Konzerten in München erzählt: „Damals im Backstage waren noch nicht so viele Frauen, da musste ich danach mit Typen rummachen“.
K.I.Z. lassen nicht lange mit Zugaberufen betteln und läuten mit „Verrückt nach dir“ den letzten Teil des Spektakels ein.
Es wird absurd und lustig, wenn sie als Frauen ein Lied über das „Riesenglied“ singen. Noch mehr BHs fliegen auf die Bühne. Maxim hockt am Ende des Songs lächelnd und leicht verblüfft auf der Bühne; vielleicht wegen der Komik der Situation oder der Inbrunst, mit der die weiblichen Fans den Text mitrappen. Bei „Boom Boom Boom“ entlädt sich nochmal die komplette Power aller Beteiligten. Als Letztes kommt wie zu erwarten der größte Hit: „Hurra die Welt geht unter“. „Ihr seid wunderschön“, sagt Maxim im Anschluss. Die Frauen kreischen.
Ein Konzert von K.I.Z. ist vor allem eines: wahnsinnig unterhaltsam. Wer politisch korrekte und schimpfwortfreie Texte will, könnte hier nicht falscher sein. Die ironischen und überspitzten Texte sind lustig und bewegen sich immer auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Geschmacklosigkeit. Wie sich durch den Rollentausch die Positionen und die Wahrnehmung geändert haben, zeigt sich am Beispiel der „Ausziehen“-Rufe. Nicht der lustvolle Männermob ruft zum Entkleiden auf, wie es das Klischee besagt, sondern hier ist das die kreischende Frauenmenge.
Die Welt ist nicht untergangen, nur das Konzert ist jetzt vorbei. Tarek beendet den Abend: „Auf die Männer, die wir lieben, und die Penner, die wir kriegen!“
Setlist: Wir / Raus aus dem Amt / Böhses Mädchen / Urlaub fürs Gehirn / Geld / Einritt / Ehrenlos / Ringelpiez mit Anscheißen / Walpurgisnacht / Ich bin Adolf Hitler / Spasst / Raus aus dem Amt (Promo) / In seiner Mutter / Heiraten / Ellenbogengesellschaft (Pogen) / Halbstark / Der durch die Scheibeboxxxer / Biergarten Eden / Hurensohn / Neuruppin – Zugaben: Verrückt nach Dir / Ein Affe und ein Pferd / Riesenglied / Was würde Manny Marc tun? / Boom Boom Boom / Hurra, die Welt geht unter
Bericht: Katharina Holzinger
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