Mutter der Nation – „Maria Theresia – Das Musical“ im Ronacher Wien (Kritik)
Wenn die Vereinigten Bühnen Wien eine Musical-Uraufführung ankündigen, darf man besonders gespannt in die österreichische Hauptstadt blicken. Mit Musicals wie „Elisabeth“, „Tanz der Vampire“, „Rebecca“ oder „Mozart!“ kommen einige der immer noch erfolgreichsten Bühnenstücke im deutschsprachigen und auch internationalen Raum aus der Feder der vbw, zuletzt haben sie mit „Schikaneder“ und einem neuen „Falco“-Musical große Erfolge gefeiert. Nun wurde der nächste historische Stoff für eine musikalische Verarbeitung angekündigt: „Maria Theresia – Das Musical“ feierte Premiere am 5. Oktober 2025 im Ronacher Wien.

Historisch ist Maria Theresia sicherlich ein spannender Stoff, ist sie als weibliche Regentin, Initiatorin des Habsburg-Lothringen-Hauses und Umsetzerin zahlreicher Reformen in vielerlei Hinsicht ein Unikat und für ihre Zeit eine revolutionäre Person gewesen. Mit Dieter & Paul Falk konnte man ein Vater-Sohn-Songwriting-Gespann gewinnen, die sehr wohl wissen, wie eindrucksvolle Popmusik zu klingen hat, dazu Jonathan Zelter (Liedtexte) und Thomas Kahry (Buch). Dass man historische Jahreszahlengenauigkeit zum Zwecke der Dramaturgie etwas ausreizt? Geschenkt. Kaum ein Historiker wird ins Ronacher gehen, um das Musical auf historische Komplexität zu untersuchen. Die Änderungen sind kaum störend und erfüllen fraglos ihren Zweck.
Denn Längen oder Ermüdungserscheinungen gibt es während der doch recht langen Laufzeit von zwei Akten mit rund 75 Minuten zu keinem Moment. Das ist vielen Punkten zu verdanken, aber vor allem: dem Bühnenbild. Dass „Maria Theresia“ eine Neuproduktion eines recht jungen Teams ist, merkt man der ebenso jungen und frischen Inszenierung an, die die Pfade von starren Konstruktionen verlässt und stattdessen aus der vollen Bandbreite der Bühnentechnik schöpft: LED-Wände, hereinschwebende Bühnenelemente, Luftsäulen, Projektionen, sogar das Herabfallen ganzer Fixkonstruktionen. Besonders aber das Lichtdesign wird so grandios eingesetzt, dass rein bildlich immer wieder Szenen entstehen, die schlichtweg grandios sind. Dazu gesellen sich große Choreografien und beeindruckende Kostüme, die noch einmal verdeutlichen, dass die Vereinigten Bühnen Wien keine Kosten und Mühen gescheut haben, dem Publikum eine hochwertige Produktion zu präsentieren.

Dafür spricht auch der namhafte und durchgehend starke Cast, angeführt von Nienke Latten als Maria Theresia. Besonders im 2. Akt erwarten sie einige gesangliche Hürden, sie grandios meistert. Um sie herum ist das Männergespann aus Franz Stephan von Lothringen (Fabio Diso) und Friedrich II. von Preußen (Charles Kreische). Unterstützt wird sie ebenso von Annemarie Lauretta als Kaiserinmutter Elisabeth Christine und Annemieke van Dam als Madame Fuchs: Auch wenn beide stimmlich zu überzeugen wissen, bleiben ihre Rollen leider etwas blass, sodass sie nur wenige Akzente setzen können. Das gelingt Franz Stephan besonders im 1. Akt besser, im zweiten Teil werden seine Handlungen dann arg wenig nachvollziehbar, was Diso aber noch bestmöglich abzufedern weiß.
Die vielseitigste Rolle mit dem größten Blickfang wird schlussendlich gar nicht Maria Theresia zuteil, sondern Charles Kreische als Friedrich II. von Preußen. Üblicherweise von VBW-Liebling Moritz Mauser besetzt, gelingt es Kreische, sich diese Rolle vollends eigen zu machen und mit intensiver Mimik, ausdrucksstarkem Spiel und einer Stimme, die unter die Haut geht, als eindrucksvollste Performance des Abends im Gedächtnis zu bleiben. Als Antagonist, den seine eigene innere Zerrissenheit quält, werden ihm zwar auch mächtige Songs und stilvolle Kostüme zugleich, aber diese Komponenten einzusetzen und dieses Potenzial auszuschöpfen, ist nichts anderes als pures Talent. Wow!

Trotzdem ist „Maria Theresia“ kein perfektes Musical: Die Handlung ist recht dünn, Maria Theresia manifestiert etwas zu oft, wie eindrucksvoll sie handelt, ohne dass sie es im Musical spürbar tut, und manche Wendungen und Entscheidungen kommen so schnell und überraschend, dass es gelegentlich bei der Nachvollziehbarkeit hakt. Doch über alledem steht eine Bühnenproduktion allererste Güte mit einem erstklassigen Cast, sehr bühnenreifer Musik und einer frischen Inszenierung, die Akzente setzt und dennoch klassisch genug bleibt, um auch das ältere Publikum nicht zu verlieren. Vielleicht hätte man manche Entscheidungen mit etwas mehr Mut treffen können, wie es die Hauptperson im Musical auch macht, doch auch so: „Maria Theresia – Das Musical“ ist ein mehr als gelungenes neues Musical für die Stadt Wien.
Kritik: Ludwig Stadler


