Am Ostersonntag, den 31.03.2024 geht das dunkle Treiben auf dem Dark Easter Metal Meeting munter weiter. Einen gemäßigten Einstieg bereiten Chapel of Disease, die Tag 2 des DEMM mit ihrem Melodie-verliebten Death Metal im Werk eröffnen, gefolgt von den urigen Perchta in der Halle.
Spätestens mit Endstille ist dann wieder Flughöhe erreicht. Die Band, die (Anti-)Kriegs-Black Metal gespielt hat, bevor es cool war, kann sich über ein voll besetztes Werk freuen – kein Wunder, angesichts des triumphalen und unerwarteten Comebacks, das sie nach zehnjähriger Sendepause letztes Jahr mit »DetoNation« feierten. Endstille lassen nichts anbrennen; Sänger Zingultus zeigt sich stimmlich in herausragender Verfassung und auch der Rest der Band holzt munter durchs Gefilde. Hier ist kein Entgegenkommen erforderlich, man lässt sich überfahren und freut sich daran. Den Abschluss der Setlist bildet – natürlich – »Frühlingserwachen«, eingeleitet vom berühmten Einspieler, den man sich gerne als frohe Botschaft des Tages gefallen lässt.
Weiter geht es in der Halle mit Eïs. Kurz nachdem sie 2018 auf dem DEMM ihre damals aktuelle EP »Stillstand und Heimkehr« vorstellten, legte die Band um Bassist/Sänger Florian Dammasch (Alboîn) ihre Aktivitäten auf – na, Sie wissen schon. Seit ihrer Wiederbelebung vor knapp drei Jahren haben die Herren kein neues Material produziert. Der Fokus ihres heutigen Auftritts liegt daher auf der Vergangenheit, genauer, auf dem Album »Galeere«, das sie vor 15 Jahren, noch unter dem Namen Geïst veröffentlichten. Eïs fallen nicht durch ein besonders ausgefallenes Show-Konzept, durch auffällige Bühnenbilder oder durch esoterische Anstriche auf. Wodurch sie sich von der Mehrheit der DEMM-Bands abheben, ist gerade ihr fehlender Hang zum Extremen. Ernst, getragen, melancholisch, lautmalerisch sind die Songs des Konzeptalbums, das Eïs in voller Länge präsentieren. Es handelt sich um ein Erzählwerk, geprägt von einer etwas angestaubten, mal langatmigen, mal mitreißenden Theatralik. Mit »Unter toten Kapitäten« nimmt das Album und die Show ein hervorragendes Ende. Und Eïs verabschieden sich »bis in fünf Jahren, zum nächsten Jubiläum«.
Während Eïs in der Halle vor einem eher kleinen, aber zugetanen Publikum spielen, geht es im Club hoch her: Das erst 2019 gegründete Melodic Black Metal-Projekt Ciemra aus Weißrussland hat letztes Jahr mit ihrem Debütalbum »The Tread of Darkness« ordentliche Wellen geschlagen. Wer bei dem Begriff Melodic sofort an Waldgeräusche und Blind Guardian denkt, könnte nicht falscher liegen, ab Minute eins werden im randvollen Club keinerlei Kompromisse gemacht, außer vielleicht einem: Die Band hat alles, was im modernen Black Metal erfolgsbringend ist: ein Gimmick, passende Outfits und einen brachialen Sound, nur ihr Bassist scheint ihnen abhanden gekommen zu sein. Am Anfang ihres Sets ist dieser noch vom Band eingespielt, doch der Backing Track gibt kurz nach dem ersten Song auf. Eine Erklärung der Abstinenz gibt es nicht, auch auf Social Media gibt es keine Stellungnahme. Ein herber Dämpfer, wo der restliche Auftritt der Band wahrscheinlich einer der besten des Festivals ist. Die Vokalleistung von Frontfrau Malvain steht den männlichen Kollegen in wirklich nichts nach, kein unnötig schrilles Gekreische, sondern traditionelle Black Metal-Vocals durch und durch. Selbst ohne Bass absolut sehenswert und hoffentlich bald mit erneut auf Tour.
Gute Musik allein reicht (meist) nicht, insbesondere vor einem Konzert-satten Festival-Publikum ist eine gute Show mindestens die halbe Miete. Wie dieser Grundsatz in gleich zweifacher Weise schiefgehen kann, lässt sich bei Mortem im Werk beobachten. Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen peruanischen Band, haben Mortem einen leicht kürzeren Anreiseweg aus dem hohen Norwegen. Optisch erinnert die Show an die von Sacramentum im Vorjahr, bei der sich Sänger Nisse Karlén übertheatralisch mit Blut begossen hatte. Im Falle von Mortem ist es eher die Überbenutzung einer mittelalterlichen Keule, die Frontmann Marius Vold fast durchgehend durch die Gegend schwenkt. Vergleichbar mit einem Kind, das gerade einen besonders cool geformten Stock gefunden hat, wehrt er imaginäre Feinde ab, so scheint es zumindest. Musikalisch passiert leider auch nicht wirklich etwas, was damit konkurrieren könnte. Trotz prominenter Besetzung bleibt von Mortem schon kurz nach ihrem Auftritt wenig in Erinnerung.
Wie war doch das DEMM im letzten Jahr und auch bei früheren Ausgaben geplagt von mehr oder weniger kurzfristigen Konzertabsagen. Man erinnere sich an den Ausfall von Grave im letzten Jahr, der erst kurz vor dem Auftritt der Schweden bekannt – und kompensiert wurde. Von solchen Turbulenzen bleibt das diesjährige Fest verschont. Fast wären es Sur Austru gewesen, die die positive Bilanz in letzter Minute noch durchkreuzt hätten. Denn der Van der Rumänier gab an der deutsch-österreichischen Grenze den Geist auf. Glücklicherweise schaffte es die Band trotzdem nach München – und glücklicherweise nicht nur für die Bilanz, sondern auch für die, die Sur Austru am frühen Abend im Club zuhören durften. Zwar trifft der Titel ›Folk Black Metal‹ auf die Musik und das Konzept der Band, die das spirituelle Nachfolgeprojekt der leider eingestellten Negură Bunget darstellt, durchaus zu, doch was die Truppe um Tibor Kati (Gesan/Gitarre) bietet, hat mit Met-seligem Natur-Schlager nichts zu tun. Stattdessen gibt es hier tighten Atmospheric Black Metal mit traditionsverbundenem Einschlag und rotzig-herbem Pathos. Sur Austru verzichten weitgehend auf Show-Elemente, es wird nicht geräuchert und genebelt, keine Beschwörungen vom Band aufgefahren. Trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb wird die Freude am Musizieren und der inhaltliche Anspruch, den die sympathische Truppe damit verbindet, besonders gut spürbar. Das Publikum im vollen Club spendet nachdrücklich Beifall – und, so die Hoffnung der Rumänen, ein paar Taler für die Reparatur ihres Busses.
Die Weisheit, dass Show die halbe oder gar fast die ganze Miete sei, nimmt wohl keine der diesjährigen DEMM-Bands so ernst wie Cult of Fire, die im Anschluss die Horden im Werk zusammenströmen lassen. Die Tschechen sind längst kein Geheimtipp mehr. Anders als beim Großteil der Black Metal-Szene liegt ihr optischer und lyrischer Fokus auf dem indischen Raum, der trotz seines kulturellen und religiösen Reichtums oftmals gerade in Europa übersehen wird. Gleichzeitig sind Cult of Fire wahrscheinlich die einzige Black Metal-Band, bei der das Swastika-Symbol auf der Bühne des Backstage geduldet wird. Im Publikum stößt es zwar beim ein oder anderen auf Verwirrung, steht aber in diesem Fall nicht für Rechtsextremismus, sondern bezieht sich recht offensichtlich ausschließlich auf dessen hinduistische/buddhistische Bedeutung, die, anders als das durch die Nazis verunglimpfte Hakenkreuz, eine äußerst positive ist. Die Mitte der Bühne ziert ein reichlich mit Obst gedeckter Tisch, während auf den Seiten die beiden Gitarristen wortwörtlich auf überdimensionierten Kobrastatuen thronen. Hinter besagtem Tisch wartet Frontmann Holub, der mit seiner tiefen Kapuze, Robe und überdimensionierten Hörnern etwas an eine Mischung aus Lord Helmchen und einem Power Rangers-Schurken erinnert. Spaß beiseite, ist es wahrscheinlich eines der eindrucksvollsten Bühnenbilder in diesem Jahr. Egal wo man hinschaut, wird man mit einer optischen und musikalischen Reizüberflutung konfrontiert. Im Schneidersitz mit ausdruckslosen Totenmasken verschleiert strahlt die Band selbst bei brachialen Passagen eine unheimliche Ruhe aus, die zeitweise fast schon gespenstisch erscheint. Eine Schande, dass die Band nur sehr unregelmäßig Liveshows gibt, denn es ist mit Sicherheit keine Übertreibung, den Auftritt als eines der Wochenendhighlights einzustufen.
Auf das Maskenspektakel unter dem Sonnenrad folgen in Halle und Club eher höherschwellige Unterhaltungen. Wer etwas auf sein Bandcamp-Profil hält, besucht in der Halle Thy Catafalque, das eigenwillige Soloprojekt von Tamás Kátai (Ungarn), das erst seit wenigen Jahren live umgesetzt wird und heute seinen deutschen Bühneneinstand gibt. Alternativ warten im Club die Herren von Phantom Winter mit erhobenen Keulen (im übertragenen Sinne!) für eine Post Metal/Sludge-Abreibung, die sich gewaschen hat. Schon länger hat man die Würzburger nicht mehr in München gehört, zuletzt 2017 beim leider eingestellten St. Helena-Festival. Seitdem haben Phantom Winter zwei starke Alben veröffentlicht, zuletzt 2023 das vielgelobte »Her Cold Materials«. Eine absolute Wucht ist das Gesangsdoppelgespann aus Christian Krank und Andreas Schmittfull (auch Gitarre). Ersterer growlt, letzterer keift, singt mitunter auch, beide zusammen entwickeln eine Dynamik, die die Bergmassiv-kalten und -wuchtigen Riffs auf bemerkenswerte Weise elektrisiert und zuspitzt. So gelingt Phantom Winter eine der emotional packendsten Shows des Festivals – es bleibt zu hoffen, dass sich die Band in Zukunft etwas öfter nach München verirrt.
Von progressiven Ausschlägen und Hardcore-inspirierten Weiterdenkungen geht es nun zurück ins Werk und zurück zu den Wurzeln extremen Metals. Der Headliner von Tag zwei kommt dieses Jahr aus Deutschland. Mit Sodom beehrt ein historischer Teil der sogenannten Teutonic Four das Dark Easter, der auf den ersten Blick nicht so recht ins Bild passt. Als einziger richtiger Vertreter des Thrash Metal hat sich die Band für ein Old-School-Set entschieden, wahrscheinlich auch, um etwas besser in das restliche Billing zu passen. Ohne große Produktion prügelt die Truppe um Frontmann Tom Angelripper drauf los, das Werk ist brechend voll. Es ist eine der wenigen Bands, bei der wirklich Bewegung ins Publikum kommt, zeitweise bilden sich sogar ansatzweise erkennbare Circle Pits. Der ›Genrebruch‹ zum Rest des Festivals fällt dank dem gewählten Programm und übergreifenden Kultstatus der Band kaum ins Gewicht. Bretthart und mit gewohnter Spielfreude navigiert das Ruhrpott-Urgestein durch die Setlist, teilweise stehen sie den Black Metal-Vertretern im Härtegrad in nichts nach. Spezielle Sets haben immer einen Vorteil und einen Nachteil: Der Vorteil ist, man sieht viele Songs, die bei ›normalen‹ Konzerten oft hinten wegfallen, der Nachteil ist, es muss dafür im Set Platz geschaffen werden, so muss auf Evergreens wie »M-16«, »Napalm in the Morning« oder auch »Ausgebombt« (ursprünglich auf der Setlist) im Programm verzichtet werden. Nach etwa 75 Minuten ist dann ohne großen Trubel Schicht im Schacht, mit »Bombenhagel« geht es in die wohlverdiente Umbaupause.
Setlist Sodom: Among the Weirdcong / Jabba the Hut / The Crippler / Sodomized / The Saw Is the Law / Blasphemer / Tired and Red / The Conqueror / Proselytism Real / Nuclear Winter / Let’s Fight in the Darkness of Hell / Agent Orange / Outbreak of Evil / Remember the Fallen / Bombenhagel
Nach Sodom besteht die Möglichkeit, sich in der Halle bei feenhaftem Blackgaze von Sylvaine ein wenig auszuruhen, oder aber im Club bei Imha Tarikat weiterzufeiern. Die junge Band um Kerem Yilmaz aka Ruhsuz Cellât (Gitarre, Gesang) macht seit ein paar Jahren zunehmend Furore. Insbesondere auf ihrem jüngsten Album gelingt ihnen die Verbindung von furios-rohem Black Metal mit einem Gespür für Melodien und Hooks, insbesondere in den Growls. Und die gelingt ihnen auch live: das Trio, live am Bass unterstützt vom The Night Eternal-Sänger Ricardo Baum feiert sich, feiert seine Musik so mitreißend und authentisch, dass es eine wahre Freude ist. Wenn so das neue Gesicht deutschen Black Metals aussieht, darf man sich auf die Zukunft freuen.
Die Ehre, dem lustigen Ostertreiben den letzten Sargnagel einzuhämmern, haben Benediction. Die altgedienten Briten reißen vor einem noch immer ordentlich gefüllten Werk ein gestandenes Death Metal-Set herunter; Zeit, noch einmal die Haare zu schütteln, die letzten Pfandmarken umzutauschen, und das Festival, das wieder einmal mit effektiver Organisation, tollem Sound in allen drei Venues und freundlichem Personal aufwartete, Revue passieren zu lassen. Bis zum nächsten Mal!
Setlist Benediction: Unfound Mortality / Scriptures in Scarlet / Vision in the Shroud / Agonised / Progenitors of a New Paradigm / The Grotesque / I Bow to None / Shadow World / Foetus Noose / Dark Is the Season / Subconscious Terror / Stormcrow / Rabid Carnality / Magnificat
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