Lang ist es her, dass Dendemann zuletzt in der bayerischen Landeshauptstadt zu Gast war. Lang ist es überhaupt her, dass der deutsche Kult-Rapper auf Tour war. Hat sich dadurch erst der Kultstatus so richtig gefestigt? Egal, denn „Dende“, wie er meist verkürzt genannt wird, hat es geschafft: ein neues Album. Nach ganzen neun Jahren ist mit „da nich für!“ endlich ein neuer Streich in Langspielformat erschienen – schier unmöglich schien es zeitweise, dass man so eine Meldung überhaupt noch schreiben könne. Ein dendbar (hihi) guter Anlass also, sich in den Tourbus zu schwingen und wieder einmal durch das Land zu streifen, was auch alsbald angekündigt wurde und nun am 13. Februar 2019 in der restlos ausverkauften TonHalle ebenso geschah.
Geplant war das Konzert anfangs in der Muffathalle, aber aufgrund des minutenschnellen Ausverkaufs dauerte die Hochverlegung nicht sonderlich lange – und das zusätzliche Kartenkontingent auch nicht. Von den etwas verlassen wirkend wartenden zwanzig Personen, die bereits zum Einlass um 19 Uhr da sind, merkt man davon wenig, auch beim Start des Voracts Döll um 20 Uhr ist die TonHalle fast noch erschreckend leer. Verdient hätte der Rapper garantiert mehr, denn entgegen jeglicher Trends hat er erst vor kurzem ein absolutes klassisches Rap-Album auf den Markt gebracht, das sich jeglichen, angesagten Erscheinungen entgegenstellt und lieber auf dauernde Wirksamkeit setzt. Auf der Bühne und explizit vor dem doch etwas älteren, Hip Hop-erfahrenem Publikum kommt das gut an, fast wirkt er mit seiner etwas verkratzen Stimme wie eine verjüngte Version von Dendemann – wenngleich Döll davon dann doch textlich noch sehr „Weit entfernt“ ist, um einen Songnamen zu zitieren. Knappe 30 Minuten kann der gebürtige Darmstädter die Münchner Audienz beglücken und wird unter angemessenem Applaus entlassen.
Setlist: Für den Fall / All Day Pt. 1 / Mann / Sah es in mir / Waldemar / 64 / Weit entfernt / Outro
Spannenderweise strömt ein Großteil der Kartenbesitzer erst gegen 20:30 Uhr die Halle, wohl in der Hoffnung, dann direkt zu Dendemann zu erscheinen. Die Rechnung mag allerdings nicht für alle aufgegangen sein, denn bereits um 20:45 Uhr nimmt die fünfköpfige Band ihre Plätze ein und „Wo ich wech bin“ eröffnet den langen Liederreigen. „Die freie Radikale“ hieß die instrumentale Live-Werdung der Beats, egal ob auf der letzten Platte „Vom Vintage verweht“ oder im Rahmen der zweijährigen Residenz beim „Neo Magazin Royale“, der Satire-Sendung von Jan Böhmermann – nun, mit neuer musikalischen Ausrichtung, wird daraus „Die freie Digitale“, besetzt mit Drums, zwei Keyboards, einem DJ und einem fleißigen Bassisten. Wie man mit dieser Kombination dann allerdings wuchtige Rock-Sounds bei „Stumpf ist Trumpf“ und „Sachmagehtsnoch“ erzeugt, bleibt ein Geheimnis, in jedem Fall gelingt jeder wilde Genrewechsel. Die Musiker allein wären den Besuch wert, so energetisch, so irrsinnig tight führen sie durch den Abend.
In der Mitte am Mikrofon: Dendemann selbst. Sonst tatsächlich niemand, auf Backup-Rapper oder jegliche Unterstützung wird verzichtet, Dende rappt sich ganz alleine und ohne nennenswerte Pausen durch das 105-minütige Konzert. Dass er Doubletime-Nummern wie „Beste wo gibt“ erst zu später Stunde bringt, in der andere Genre-Kollegen entweder längst aus der Puste sind oder gar das Konzert schon beenden, spricht für die irrsinnige Leistung, die der Mittvierziger immer noch auf der Bühne darbringt. Logisch, dass er sich aber auch nicht einfach seine Texte runterleiert: „O Robota“ wird auf den Beat von Deichkinds „So Ne Musik“ gespielt, am Ende von „Menschine“ gibt es ein Snippet von Bilderbuchs „Maschin“ und selbst Trettmanns „Standard“ wird kurz angeschnitten, logischerweise vor „Littbarski“.
Lange hat es gedauert, bis man neues Material von Dendemann in Albumform erwerben konnte. Kein Wunder also, dass jeder einzelne Song von „da nich für!“ den Weg in die Setlist gefunden hat. Allgemein ist die Liederauswahl absolut ausgeglichen und mehr als ausführlich – ganze 28 Lieder stehen auf der Liste, kein einziges wird ausgelassen. Die Gäste der übermäßig vollen TonHalle bekommen ein Gesamtpaket, das stimmiger kaum sein könnte: ein glasklarer Sound, eine ausgewogene und vor allem lichttechnisch starke Produktion und natürlich bestens aufgelegte Musiker. „Dende in Bestform“ liest man danach auf Social Media über das Konzert – dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Bis zum nächsten Mal, das hoffentlich in naher Zukunft ist. Dendeschön!
Setlist: Wo ich wech bin / Ich dende also bin / Keine Parolen / Kommt Zeit, dreht Rad / Zeitumstellung / Das erste Mal / Inhalation / Sensationell / Und wenn ja, warum? / O Robota / Menschine / Drauf & dran / BGSTRNG / Lieblingsmensch / Gut und gerne / Littbarski / Endlich Nichtschwimmer / Beste wo gibt / Müde / Zauberland / Papierkrieg / Stumpf ist Trump – Zugaben 1: Hörtnichauf / Sachmagehtsnoch / Danke, Gut (Eins Zwo Song) / Hand auf’s Herz (Eins Zwo Song) / Alle Jubilare wieder – Zugaben 2: Nochn Gedicht
Bericht: Ludwig Stadler