Von der Straße auf die Bühne – „La Strada“ im GOP. München (Kritik)

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Normalerweise bleibt man bei ihnen nur kurz stehen, ist beeindruckt oder auch amüsiert, wirft vielleicht einen Euro in den Hut und geht, während sie sofort wieder der Fußgängerzonentrubel verschluckt. Doch im GOP. Varieté bekommen die Straßenkünstler jetzt mit „La Strada“ eine eigene Show, in der sich alles nur um sie dreht. Premiere war am 12. März 2020.

Natürlich sind es keine x-beliebigen Straßenkünstler, die der Künstlerische Direktor Werner Buss für die Show eingeladen hat – vielmehr die internationale Crème de la crème ihres Fachs. Da ist zum Beispiel Energiebündel Naoto, YoYo-Virtuose aus Japan, der seine komplizierten Tricks so rasant und immer im perfekten Rhythmus zur Musik vollführt und sich dabei wundersamerweise nicht selbst in den Schnüren verstrickt. Apropos Musik: Bis auf eine Ausnahme wird sie komplett live von Michi Marchner und Martin Michel („Les Derhosn“) gespielt. Und: sie wurde eigens für die Show und individuell für jede Nummer geschrieben. Dafür schickten sich das Duo und die Künstler*innen monatelang Videoaufnahmen hin und her, bis die Nummer endlich zu aller Zufriedenheit stand. Michi Marchner liefert zwischendurch auch Comedy-Einlagen, teils mit politischen Spitzen, teils fallen sie allerdings etwas derb aus dem sonst sehr charmanten Rahmen.

Die Dramaturgie ist gut durchdacht – die Abwechslung von Jonglage, Akrobatik und den erfrischend komischen Einlagen von Ballonkünstler Tobi van Deisner (ein Highlight!) sorgen für ein kurzweiliges Programm, bei dem man die Zeit vergisst. Trotz einfachster Mittel (Fotos mit animierten Details) lässt Regisseur Knut Gminder den Eindruck entstehen, man säße mitten in einem Straßenkunstfestival.

Besonders stimmig schließen sich Bild, Ton und Choreografie beim Auftritt von Ariadna am Vertikalseil zusammen. Sie entführt in die Unterwasserwelt, in der sie mit kraftvoller Eleganz zu schweben scheint.
Einer wie Thomas Janke darf bei einem solchen Spektakel natürlich auch nicht fehlen: der Memminger gehört zu den besten und schnellsten Jongleuren – und er heizt dem Publikum ordentlich ein mit seiner rhythmischen Speednummer.
Eine etwas andere Art der Jonglage betreiben Eyerusalem & Tsion aus Äthiopien – mit den Füßen wirbeln sie Stoffteller durch die Luft, während eine von ihnen mit dem Kopf auf den Füßen der Partnerin balanciert. Unfassbare Körperbeherrschung der beiden 20-jährigen aus Addis Abeba.

Auf dem Kunstrad dann Serge Huercio, dessen waghalsigen Kunststücke fast harm- und auf jeden Fall mühelos wirken, weil er durchwegs so viel Charme und Witz versprüht. Serge stammt übrigens selbst aus Avignon, der französischen Stadt mit dem berühmten Straßenkunstfestival, an das „La Strada“ angelehnt ist.
Den Abschluss bilden Julia & Lukas, Absolventen der Artistenschule Berlin, jetzt zu einer gefühlvollen Hand-auf-Hand-Nummer vereint, nachdem sie beide schon einen erfolgreichen Soloauftritt hinter sich haben – Julia Grote faszinierend am Luftring und Lukas Köster mit einer mitreißenden Bouncing Jonglage.

Spannungsbogen gibt es keinen – da alle Künstler*innen auf einem so hohen Niveau in ihrer jeweiligen Disziplin unterwegs sind. „La Strada“ lädt zum atemlosen Staunen und herzlichen Lachen ein. Mit Sicherheit ist für jede*n etwas dabei bei diesem bunten Abend, der das Genre der Straßenkunst in seiner Vielseitigkeit umfassend präsentiert.

Kritik: Bea Mayer