„Es wird kalt!“ – sobald dieses Motto erklingt, ist bereits klar, bei welcher Band man sich befindet: Eisbrecher. Die bayerischen Mannen haben zuletzt im August ihr Album „Sturmfahrt“ auf den Markt gebracht, welches erstmals den Platz #1 der Charts erreichte. Die Freude war groß – und umso größer ebenso die Freude auf die anstehende Tour. Ein Stopp dieser Tournee war am 3. Oktober 2017 im Zenith München. Als Support waren die Gothic-Überflieger Unzucht dabei, wie bereits auf der letzten Tour im Frühjahr 2016. Es sollten also alle Weichen für einen großartigen Abend gestellt sein. Zum Einlass um 18:30 Uhr war die Schlange bereits sehr lang, was sicherlich dem Datum, dem „Tag der deutschen Einheit“, ein Feiertag, geschuldet war; zügig vorangehend fanden aber alle schnell in die Halle.
Um kurz vor 20 Uhr erlosch zum ersten Mal das bereits recht gering beleuchtete Zenith und ein mysteriöses Intro begann. Logisch, dass daraufhin Unzucht mit „Der dunkle See“ die Bühne stürmten, gefolgt von „Widerstand“, beide auf dem aktuellen Album „Neuntöter“ (2016). Der Applaus war Anfang an groß, das Publikum stand auf der Seite der Band – kein Wunder, sind die Herren doch bereits seit einigen Jahren aktiv in der Szene unterwegs; nach rund sieben Jahren hat man sich in kürzester Zeit eine treue Fanbase und vor allem einen großen Namen erspielt. Dem Eisbrecher-Publikum dürften sie bereits von der letzten Tour bekannt sein, bereits da wussten sie bestens zu überzeugen. Auch dieses Mal motiviert Frontmann Daniel Schulz das Publikum zum Klatschen, Singen und Lärmmachen. Neben neueren Stücken fanden auch Klassiker wie „Deine Zeit läuft ab“ und „Unzucht“ ihren Platz – gar nicht so einfach, innerhalb von 45 Minuten einen guten Überblick der Historie zu geben, befinden sich doch inzwischen unzählige bekannte Songs in ihrem Sammelsurium. So wurde fleißig mitgesungen bei „Nur die Ewigkeit“ – ein Stück für all die Verstorbenen. Sein zu frühes Ende fand die Setlist letztendlich in „Engel der Vernichtung“; Schulz und Mitglieder wurden aber lautstark verabschiedet. Ein gelungener Beginn.
Setlist: Der dunkle See / Widerstand / Lava / Unzucht / Deine Zeit läuft ab / Neuntöter / Nur die Ewigkeit / Ein Wort fliegt wie ein Stein / Engel der Vernichtung
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Nach der obligatorischen Umbaupause verdunkelte sich die ehemalige Fabrikhalle erneut – es war Zeit für Eisbrecher. Das merkte man auch sichtlich beim Publikum, schoss der Lautstärkepegel doch noch einmal ordentlich in die Höhe – spätestens, nachdem der Vorhang beim Eröffner „Sturmfahrt“ fiel, war die Menge mit Jubeln nicht mehr zu halten. „Willkommen im Nichts“ und „Das Gesetz“ heizten die Stimmung weiter auf – die Band ist gut gelaunt, das Publikum nur noch besser. Sehr positiv, und das durchaus überraschenderweise, ist der sehr gute Klang und Sound zu erwähnen. Das Zenith ist bekannt dafür, eine schreckliche Akustik zu haben und etliche Konzerterlebnisse nur durch den Sound zu versauen – eine wahre Meisterleistung also, hier einen klanglichen Wert zu erzeigen; hier ist es gelungen.
Das Bühnenbild: wie die Front eines Dampfers. Schlagzeuger Achim Färber obligatorisch in der Mitte erhöht, links und rechts ein weiteres Podest, begehbar durch eine klassische Showtreppe (wobei sich Sänger Alex den ein oder anderen Kommentar darüber nicht verkneifen konnte). Im Gegensatz zur letzten Tour macht die jetzige Erscheinung wesentlich mehr her, was unter anderem auch daran liegen könnte, dass anstatt eines einfachen Banners eine aufwendige Licht- und Blechkonstruktion die Wand ziert, welche einen imposanten Eindruck machte. Allgemein ist die Lichtshow unbedingt hervorzuheben – was Eisbrecher jedes Mal wieder ausmacht, ist das geniale Spiel mit den verschiedenen Lichtmöglichkeiten und –farben. So war es auch dieses Mal wieder ein absoluter Augenschmaus, niemals störend, immer wunderbar auf die Musik abgepasst – definitiv eine der besten und ausgeklügelten Lichtshow, die derzeit auf Tournee sind.
Frontmann Alexander Wesselsky wusste natürlich, wie jedes Mal, mit witzigen Anspielungen und amüsanten Anekdoten zu punkten. Das Publikum lachte und kicherte, auch wenn sie den Witz schon etliche Male gehört haben. Hier kommen wir zum einzigen, aber wesentlichen Kritikpunkt des Konzertes: die Kontinuität. Die Shows der letzten Jahre ähneln sich massiv, sehr stark vor allen in den Performances. Die größte Problematik ist hierbei die Setlist. Wenn nicht gerade eine besonders Spezial-Tour wie 2016 die „Volle Kraft voraus“-Tour stattfindet, bleiben die gespielten Lieder seit Jahren statisch, einzig und allein einige neue Stücke werden hinzufügt. Das wird auf Dauer bei Mehrfachbesuchen ein wenig ermüdend, da man sich doch verschiedene, ältere Werke wünschen würde. Positiv zu nennen ist hierbei aber auf jeden Fall die Song-Auswahl aus dem Vorgänger-Album „Schock“ (2015). Mit „Fehler machen Leute“, „So oder so“ und „Himmel, Arsch und Zwirn“ befinden sich die drei mächtigsten Lieder des Albums in der Liederliste, zuzüglich der Single „1000 Narben“.
Neben den üblichen Luftsäulen bei „This Is Deutsch“ ist der Song „Was ist hier los?“ hervorzuheben. Während der Text bereits zu Beginn mit Klar- und Direktheit überzeugt hat, waren sich einige Fans noch etwas uneinig, ob sie die Nummer musikalisch ob der Einfachheit denn überhaupt mögen. Die Live-Performance zeigt: ja, man muss die Nummer einfach mögen! Wuchtige Gitarren, mitreißender Rhythmus – Eisbrecher in Höchstform.
Als ersten Zugabenblock gab es für die Zuschauer „Verrückt“ und den All-Time-Klassiker aus alten Megaherz-Zeiten, „Miststück“. Die fast schon übliche Ballade am Schluss, meistens die Ballade des aktuellen Albums, ist auch dieses Mal etwas vorhersehbar: natürlich wurde „In einem Boot“, der heimliche Titeltrack des Albums, präsentiert und damit auch nach fast zwei Stunden das Konzert beendet.
Setlist: Sturmfahrt / Willkommen im Nichts / Das Gesetz / Automat / Fehler machen Leute / Eisbär (Grauzone Cover) / Amok / So oder so / Die Engel / Prototyp / Himmel, Arsch und Zwirn / Wo geht der Teufel hin / Eiszeit / 1000 Narben / Was ist hier los? / This Is Deutsch – Zugabe: Verrückt / Miststück 2012 – Zugabe 2: In einem Boot
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Fazit: Ein eiskalter und sehr gelungener Abend. Unzucht heizten dem Zenith-Publikum ordentlich ein und boten eine gewohnt solide Show. Eisbrecher ließen anschließend die Fan-Herzen höher schlagen mit einer unfassbar starken Lichtshow, einer standardmäßigen guten Performance und einer Liederauswahl zwischen weicher Ballade und knüppelharten Metal. Wenngleich sich auch die Konzerte teilweise über die Jahre stark ähneln, bleibt ein Konzert von Eisbrecher immer wieder ein Erlebnis und ist ein Garant für einen fantastischen Abend mit brachial-melodischer Musik. Klare Empfehlung!
Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Ingo Höchsmann
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