Bilder aus Musik – Yekwon Sunwoo in der Philharmonie (Kritik)

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Auf der mit Weihnachtssternen geschmückten Bühne der Philharmonie ist am 15. Dezember 2019 mit dem Royal Danish Orchestra das älteste Orchester der Welt zu Gast – geleitet von Thomas Søndergård, Solist ist der südkoreanische Pianist Yekwon Sunwoo.

Den Einstieg in den bildreichen Konzertnachmittag macht die Helios-Ouvertüre von Carl Nielsen – ein Prachtexemplar der Programmmusik, das den Weg der mediterranen Sonne vom Auf- zum Untergang beschreibt. Anfängliche Unsicherheiten im Horn legen sich bis zum Sonnenaufgang, bei dem der Bläserapparat des Royal Danish Orchestra schon eine Kostprobe seines prächtigen Klangs zeigt.

Anschließend steht das Klavierkonzert von Edvard Grieg an – in der Lesart von Solist Yekwon Sunwoo, Gewinner der Van-Cliburn-Competition 2017. Das Klavier eröffnet das Werk ohne großes Tuttivorspiel mit den berühmten abfallenden Eingangsakkorden nach gewaltigem Paukencrescendo – ein frühes erstes Statement, das bei Sunwoo sehr unentschlossen wirkt – sowohl Dynamik als auch Tempo machen nicht klar, wohin die Reise gehen soll. Diese Unschlüssigkeit bleibt, während des gesamten Konzerts gibt es immer wieder irritierende Momente, wo er Crescendi zu früh abbricht, das Tempo retardiert. Die gefühlvolle Übernahme des ersten Themas im Klavier gelingt dagegen sehr, ebenso wie alle Kantilenen, die der Solist mit seinen weichgezeichneten, lyrischen Tongirlanden umrahmt. Diese bringen einen Hauch von Debussy in das Konzert, was besonders dem Dialog mit den solistischen Bläserstimmen ausgezeichnet steht.

© Jeremy Enlow-Cliburn

Eine Wendung bringt die Kadenz: das umspielte erste Thema schärft er großartig aus den Begleitfiguren heraus, donnernd stürzen die Doppeloktaven die Klaviatur abwärts. Es scheint ein wenig so, als bräuchte Sunwoo die Freiheit und Möglichkeit – die ihm die Kadenz gibt, – sich loszulösen und zu präsentieren. Seine feinfühlige Spielweise macht den zweiten Satz aber definitiv zu einem Erlebnis, dort harmoniert der gedämpfte Streicherklang sehr gut mit der zurückhaltenden Klavierstimme, markante Akzente werden mit dem Solohorn gesetzt. Die mitreißenden Rhythmen des Finalsatzes arbeiten sowohl Orchester als auch Solist dynamisch detailliert heraus, letzterer glänzt mit einem deutlich tiefgreifenderen Klangvolumen und ausgereifter Virtuosität.

Zugabe wird Alfred Grünfelds Soirée de Vienne – Konzertparaphrase über Johann Straußsche Walzermotive. Mit fantastischer, kristallener Phrasierung und der beiläufigen Darbietung aller Facetten seiner Technik findet Sunwoos Auftritt in München auf jeden Fall ein brillantes Ende.

In Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung, hier in der Orchesterbearbeitung von Maurice Ravel, kann sich dann das Royal Danish Orchestra noch einmal profilieren. Dieses vor Klangfarben und schillernde Werk bietet beinahe jedem Instrument eine Möglichkeit, sich solistisch zu präsentieren – natürlich auch eine Herausforderung.

Die berühmte Promenade, das Eingangsthema der Solotrompete, fegt im Fortissimo durch den Saal, überpräsent und wachrüttelnd. Doch es folgen sanfte Momente – die eindrucksvolle Elegie der Saxophonstimme in Tuileries –, amüsante Zwischenspiele wie das fragil-tänzerische Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen, bedrohliche Stimmungen aus Samuel Goldenberg und Schmuÿle werden unmittelbar verdrängt vom Markt in Limoges, dessen bunte Geschäftigkeit gerade in den flinken Streicherpassagen optimal vertont wird. Nur vereinzelt entsteht kleine Brüche, wenn die Bläserstimmen von den Streichern abgelöst werden, die das große Klangvolumen nicht abfangen können.

Mit einem absolut runden Übergang von der Hütte der Baba Yaga zum abschließenden großen Tor von Kiew offenbart das Royal Danish Orchestra eine monströse Klangkulisse, die zuvor nicht zu erahnen war.  Majestätischer und hymnischer könnte dieser Abschluss des Zyklus nicht gelingen.

Mit zwei Zugaben verabschieden sich Thomas Søndergård und das Royal Danish Orchestra  – der Ouvertüre zur Oper Maskarade, ebenfalls von Carl Nielsen, sowie Hans Christian Lumbyes ChampagnerGalopp – mit einkomponiertem Korkenknallen…

Kritik: Bea Mayer