Tolkien – Filmkritik

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Regisseur/in: Dome Karukosi

Genre: Biografie, Drama, Krieg

Produktionsland: USA

Kinostart: 20. Juni 2019

Laufzeit: 1 Std. 52 Min.

 

Es nicht ungewöhnlich, dass Schöpfer wichtiger Werke über kurz oder lang zu den Protagonisten ihrer eigenen Geschichte werden und wessen Leben würde sich mehr für eine genauere Beleuchtung eignen, als das bewegende und bewegte des John Ronald Reuel Tolkien. So mag so manch ein Fan bereits sehnsüchtig auf diese erstmalige Verfilmung des Lebens des bedeutendsten aller Fantasy-Autoren gewartet haben. Nun endlich wird der Mensch hinter dem Epos von dem finnischen Regisseur Dome Karukosi (Helden des Polarkreises) ins Rampenlicht gerückt, um dem Zuschauer einen Einblick in die außergewöhnliche Person zu ermöglichen, die J.R.R Tolkien war und an die sich auch noch viele Generationen nach uns erinnern werden. Gespielt wird John Ronald dabei sehr treffend von einem der aufgehenden Sterne am Hollywood Firmament, Nicholas Hoult (zu sehen als Beast im X-Men Franchise). Ein Biopic der zeigt, dass wie so oft das wahre Leben die besten Geschichten schreibt und, dass es, wenn man genau hinsieht auch Inspirationen liefert für die außergewöhnlichsten Geschichten.

Eingebettet in die unbequeme Stätte des Ersten Weltkrieges lernt der Zuschauer in diesem einnehmenden Biopic insbesondere den jungen Tolkien bis zu seiner Zeit als Soldat kennen. Die erschreckenden Szenen der Schlacht an der Somme, der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkrieges, in der Tolkien als junger Soldat beinahe sein Leben verlor, bilden dabei den Rahmen dieses filmischen Werkes. In einer Reihe von Rückblenden werden insbesondere seine Kindheit und Studienzeit beleuchtet. Regisseur Dome Karukosi legt hierbei besonderen Fokus auf den bemerkenswerten Intellekt Tolkiens und zeichnet dabei ein ziemlich genaues Bild des Umfeldes in dem der junge John Ronald aufwuchs. Umgeben von seinen getreuen Freunden Christopher Wiseman (Tom Glynn-Carney), Robert Quilter Gilson (Patrick Gibson) und G.B. Smith (Anthony Boyle) und inspiriert von seiner Liebe zu seiner späteren Ehefrau Edith (gespielt von der zuckersüßen Lily Collins) begibt sich John Ronald auf eine intellektuelle Reise, die in einem bemerkenswerten Höhepunkt gipfelt: der Erschaffung einer ganzen Welt.

Nun ist es nicht so, dass mit leuchtenden Pfeilen darauf hingewiesen wird, wenn etwas in Tolkiens Leben als Inspiration für eine bestimmte Idee in seinen Büchern verantwortlich war. In keinem Moment leuchtet über John Ronald (Nicholas Hoult) die metaphorische Glühbirne auf, um einen Geistesblitz zu signalisieren der Einzug in das spätere Werk des Meisters erhält. Es ist eher so, dass Dome Karukosi Stimmungen in Bildern einfängt, die dem Zuschauer einen Eindruck davon vermitteln, wie der Autor seine Inspiration fand. So findet sich der Zuschauer direkt zu Beginn des Filmes in einer Kriegsszenerie wieder, die ihn dort abholt, wo die Verfilmungen von Peter Jackson im Jahre 2003 so spektakulär endeten: im Lande Mordor, wo die Schatten drohen. Die düstere, karge Welt der Schützengräben des Ersten Weltkrieges mit all ihren Schrecken lassen den Zuschauer erahnen was für Spuren dieser Einsatz in dem jungen Tolkien hinterlassen hat und woher die anschaulichen Beschreibungen in seinen Büchern herrühren. Nur selten werden klare Hinweise deutlich auf einige der fantastischen Wesen der Welt von Mittelerde, wenn John Ronald sich etwa inmitten des Bombardements im Niemandsland befindet und sich im fieberinduzierten Delirium Schatten, Rauch und Feuer zu Formen auftürmen, die an Balrog und Nazgûl erinnern mögen. Filmisch gesehen bleiben einem durch das spärliche Einsetzen dieser Taktik gewisse Dinge mehr als andere im Gedächtnis und sorgen dafür, dass die Biographie zwar realitätsnah bleibt, aber dennoch das Herz des Fantasy-Fans höherschlägt.

Krieg war jedoch nicht der Mittelpunkt von Tolkiens Leben und ist es damit auch nicht in dieser biographischen Erzählung. Der weitaus größere Fokus liegt auf der Kindheit und frühen Jugend dieses bemerkenswert klugen Mannes, dessen Vermächtnis sich ganze Organisationen verschrieben haben und der später als Professor unter anderem in Oxford lehrte.

John Ronald, der sehr früh beide Eltern verlor, wuchs mit seinem jüngeren Bruder Hilary unter der Obhut des Pater Francis Morgan (Colm Meaney) in einer Pension auf. Er erhielt trotz widriger Umstände eine ganz hervorragende schulische Ausbildung auf der King Edward’s School um sodann in Oxford zu studieren. Zu verdanken hatte er dies einigen Stipendien und seiner überaus wissbegierigen und fleißigen Art. Seine Intelligenz ist auch das hervorstechendste Merkmal Tolkiens. Seine Mutter lehrte ihn bereits früh Deutsch und Französisch. Er lernte Latein, Griechisch, Gotisch und Altenglisch; beschäftigte sich unter anderem mit dem Altnordischen und Finnischen, sowie einigen weiteren modernen Sprachen und entwickelte bereits früh ein ganzes System an eigenen selbst erfundenen Sprachen. Anders als vielleicht erwartet, erfand Tolkien seine Sprachen also nicht, um seine Geschichten authentischer wirken zu lassen, sondern genau andersherum. Denn eines, das man im Film in einer ganz besonderen Restaurant-Szene mit seiner späteren Frau Edith (Lily Collins) erfährt, wurde Tolkien bewusst: Eine Sprache besteht nicht nur aus Worten, sondern entwickelt sich aus Geschichten. Begleitet wurde Tolkien auf seinem geistigen Werdegang von seinen drei getreuen Freunden des von ihnen gegründeten T.C.B.S. (Tea Club – Barrovian Society). Der Club, der sich den literarischen Künsten verschieben hatte, traf sich zwischen den bequemen Stühlen des The Barrow House Teehauses und bietet dem Zuschauer einige sehr schöne Szenen. Man kann förmlich den Duft nach Tee und Gebäck im Kinosaal riechen, wenn sich die vier jungen Männer angeregt über Kunst und Literatur unterhalten. Man spürt die besondere Verbindung und beginnt zu verstehen was für einen Stellenwert diese Gefährten im Leben Tolkiens hatten.

Nun handelt es sich bei diesem Biopic um einen, der hauptsächlich eine geistig-intellektuelle Entwicklung denn physisch wahrnehmbare Begebenheiten abbildet. Die immanenten Schwächen einer solchen Darstellung liegen in etwas langatmigen Aufnahmen von Tolkien, der in seinem Zimmer Notizen macht und gedankenverloren spazieren geht. Hervorragend überspielt wird dies jedoch durch emotional sehr packende Musik von dem absoluten Profi Thomas Newman (bereits 13 Mal für den Oscar nominiert in der Kategorie „Beste Filmmusik“, Die Verurteilten), der es durchweg schafft, mit seinen Klängen den Zuschauer in eine andere Zeit zurückzuversetzen und ganz in das Erlebnis hineinzuziehen. So fällt es dem Zuschauer vielleicht auch etwas leichter, darüber hinwegzusehen, dass Tolkien ab seinem 19. Lebensjahr bis zu seinen Vierzigern von ein und demselben Schauspieler (Nicholas Hoult) ohne maßgebliche Veränderung seines Aussehens gespielt wird.

Fazit: Trotz einiger Abstriche aufgrund einer etwas ungeradlinigen Erzählweise und einiger unnötig langer Szenen, handelt es sich hier um ein absolut sehenswertes Werk über den Autor der Der Herr der Ringe Saga. Dome präsentiert uns dabei keine abgehobene filmische Hommage an den Vater des Fantasy-Genres, sondern vielmehr eine bescheidene Darstellung des Lebens eines außergewöhnlich intelligenten jungen Mannes der trotz widriger Umstände stets seiner Fantasie freien Lauf ließ und durch sein lebenslanges Studium beweist: Der Weg ist das eigentliche Ziel. Und der Weg Tolkiens wird hier auf ganz einzigartig schöne Weise, untermalt von fantastischer Filmmusik, präsentiert.

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