Über seine Leiche – Richard III. im Residenztheater

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William Shakespeare geht immer. Während mit „Macbeth“ allerdings vergangene Spielzeit ein allgemein bekanntes Stück Premiere feiern durfte, entschied man sich in dieser Spielzeit für das Historiendrama „Richard III.“, Abschluss der York-Tetralogie und ein immens dunkles Werk über die englische Geschichte. Am 9. Dezember 2017 feierte die Inszenierung von Regisseur Michael Thalheimer Premiere im Residenztheater.

© Matthias Horn

Bereits, als der Vorhang hochfährt, bleibt einem kurzzeitig die Luft weg. Das Bühnenbild, das bis zum Ende konstant und unverändert bleibt, besteht aus drei, mit Holzbrettern ausgestatteten Wänden, die gefühlt ewig in die Höhe ragen – ewig deshalb, da man das Ende schlichtweg nicht sieht. Welcher Stoff genau da auf dem Bühnenboden verteilt liegt, in dem die Schauspieler herumstapfen und des Öfteren auch versinken, ist nicht genau definierbar, irgendeine Art dehnbares Styropor; der Effekt des Auf- und Abtauchens der Darsteller ist allerdings riesig, auch wenn man sich den Aufwand der Bühnenmitarbeiter, diesen „Pool“ jedes Mal herzurichten und anschließend wieder wegzuräumen, gar nicht vorstellen mag. Der optische Effekt, wenngleich ohne Veränderung, ist jedenfalls mächtig und bis zum Ende konstant.

© Matthias Horn

Dabei ist das komplette Licht meistens recht ausgeschalten und nur sehr minimalistisch eingesetzt. Erst am zwar zu erwartenden, aber absolut fantastisch umgesetzten Ende ergeben manche Aspekte von Thalheimers Inszenierung Sinn und ein kleines Puzzle schließt sich. Das wesentlich größere Puzzle dürfte die Figurenkonstellation sein, die ohne Programmheft, das einen wunderbaren Stammbaum enthält, nur schwerlich zu umreißen ist. Während Philip Dechamps plötzlich drei Rollen übernimmt (immerhin hintereinander), haben die meisten Darsteller glücklicherweise doch nur eine feste Rolle, die man kurz vor der Pause dann auch endlich im jeweiligen Gesamtbild einordnen kann. Es ist keine Leichtigkeit, „Richard III.“ anzusehen, sei es von der Atmosphäre oder der komplexen Handlung aus.

© Matthias Horn

Norman Hacker in der Titelrolle kann bereits ab der ersten Sekunde vollkommen überzeugen. Wie bereits von ihm zu erwarten, wirft er sich voller Elan und Enthusiasmus in die Figur des Richards, mit ganzem Körpereinsatz und absoluter stimmlicher Verausgabung. Im, insgesamt vergleichsweise etwas schwächelnden, zweiten Teil überzeichnet Hacker die Figur allerdings so maßlos, dass es manchmal doch etwas zu viel ist, was allerdings der Abschluss-Monolog mit dem legendären „Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!“-Zitat wieder ausgleicht und einen immens mächtigen Abschluss gibt.
Götz Schulte mit kurzem Auftritt als König Edward kann genauso begeistern wie seine Gattin Königin Elisabeth, gespielt von Hanna Scheibe. Den tieferen Sinn der Margaret, die beizeiten maßlos nervig von Sibylle Canonica dargeboten wird, findet man allerdings nicht, auch nicht gegen Ende.

Mit einer doch ordentlichen, aber verhältnismäßigen kurzen Laufzeit von etwa 130 Minuten, zuzüglich einer Pause, hält Shakespeares Werk um Richards blutgetränkten Kampf um den Thron durchgehend die Spannung und das Interesse. Man mag meinen, dass sich bei purer Dialoglastigkeit und einem konstanten Bühnenbild ein wenig Monotonie einschleicht, aber stattdessen drückt es einen tief in den Sessel, wenn der fantastische Marcel Heuperman als Catesby wieder einmal im Namen Richards aus dem Leben entfernt. Kein Weihnachtsmärchen, aber ein starkes düsteres Machwerk, das einen noch lange begleiten wird.

Bericht: Ludwig Stadler

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