Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten – „M(3) – Eine Stadt sucht einen Mörder“ im Marstall (Kritik)

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Nach der Hörspielfassung M(1) und dem Open Air-Abend M(2) auf dem Marstallplatz, wird die Reihe nun zu Ende geführt mit M(3) – Eine Stadt sucht einen Mörder (Hässliche Furcht oder schönste Gegenwehr?). Die markanten Motive aus M(1) und M(2) tauchen in Musik (Cathy van Eck) und Text hier wieder auf. Die ursprüngliche Inspiration liegt im gleichnamigen Film aus den 1930er-Jahren. Die Schlinge um den gesuchten Mörder, die symbolische Bedrohung gegen eine ganz Stadt, zieht sich zu. Premiere am 26. September 2020 im Marstall des Residenztheaters.

© Armin Smailovic

Wurden die Möglichkeiten auf dem Marstallplatz bei M(2) perfekt ausgenutzt, indem zum Ende ein gesamter LKW auffuhr, kann das auch vom umgestellten Marstall bei M(3) behauptet werden. Das Bühnenbild findet sich in einer Box aus Plexiglas, in der vor allem Projektionsflächen und farbige Podeste das Bild bestimmen. Die Spieler, einige aus dem Ensemble des Residenztheaters, einige aus der Polizeiklasse der Akademie der bildenden Künste, einige aus der Statisterie des Theaters, spielen allerdings zeitgleich auch auf dem Platz vor dem Gebäude und in einigen Nebenräumen. Diese Sequenzen werden erneut auf verschiedenen Bildschirme übertragen. Wie in einer Stadt, spielen sich auch im Stück verschiedene Prozesse parallel zueinander ab. Die Frage, was davon jetzt wirklich live ist und was vorbereitet, aufgenommen, abgespielt, wird besonders relevant, da die Zuschauer einen Teil der Akustik über Live-Band und Darsteller auf der Bühne, einen Teil aber auch über die verteilten Kopfhörer beziehen. Was bei M(2) aus Lärmschutzgründen und um die Soundqualität zu gewährleisten nötig war, wird auch bei M(3) konsequent wieder aufgenommen. Das macht jede/n Zuschauer*in zu einem Individuum. Verstärkt durch die vereinzelte Bestuhlung, verbringt die reichliche Stunde Spielzeit jeder mit sich und dem Stück, ebenso wie in einer modernen Großstadt eben auch alle das Gleiche wahrnehmen, dennoch jeder für sich allein damit umgeht und fertig werden muss.

© Armin Smailovic

Eine weitere Interpretationsebene ist, dass Partizipation in einer Stadt oder Gesellschaft auch immer vom Einzelnen abhängig ist. Wer keine Lust mehr auf das Stück hat, kann den Ton der Kopfhörer einfach abdrehen oder sie abnehmen und sich so eben nur anhören, was gerade im Raum passiert. Ebenso wie ein Mitglied der Gesellschaft, dass den Sender wechselt, wenn die Nachrichten beginnen. Das Prinzip des kontrollierten Chaos in der Inszenierung ist aus M(2) übernommen. Eine Kollage aus Live-Video, Musik auf der Bühne, auffälligen Kostümen (Gloria Brillowska) und Lichteffekten (Barbara Westernach) – und damit verbunden bildstarken Momenten.

Ästhetisch ist M(3) also wirklich sehenswert. Ebenfalls wie in M(2): es ist nicht klar, welche Geschichte hier erzählt werden soll. Es geht um Performance, um den experimentellen Stil. Doch bei einer Länge von 60 Minuten wird das Publikum immer wieder so überrascht und gefesselt, dass der Abend eine erfrischende Abwechslung zu Klassikern im Spielplan und einen konsequenten und runden Abschluss der Serie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, die von Schorsch Kamerun auf die Bretter gebracht wurde. 

Kritik: Jana Taendler