Eine inszenatorische Übung – „Liebe/ Eine argumentative Übung“ in den Kammerspielen (Kritik)

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Mit der neuen Intendanz gibt es in den Münchner Kammerspielen noch mehr Performance, noch mehr Tanztheater als schon unter Lilienthal. Damit kommt auch „Liebe/ Eine argumentative Übung“ daher. Die Inszenierung beginnt mit der Eindrucksflut aus Text, der in einem Textband über der Kulisse abläuft, einem Soundeinspieler in englischer Sprache und Johanna Eiworth, die mit der Performance aus Bewegungsabläufen beginnt, die sich für den Großteil des Abends fortsetzen wird.

© Judith Buss

Eine Geschichte über Popeye und seine Freundin Olivia wird im Text verarbeitet, sie hätten sich im Deutschkurs kennen gelernt, sie hielt sich für zu knochig für ihn und für zu alt. Zu diesem Text vollführt Eiworth ihre Bewegungen. Dehnungen, Sprünge, Schritte, Drehungen. Schon zu Beginn wirft sie die Balkonkästen aus Plastik von der Bühne, schafft Raum und nimmt ihn gleich wieder durch die extrovertierten Bewegungen ein. Unabhängig vom Text steigern sich Geschwindigkeit und Intensität der Choreografie immer weiter. Eiworth ist nach kurzer Zeit nackt und schon völlig fertig. Sie macht immer weiter, knechtet sich, während der Stücktext vom Sivan Ben Yishai einfach weiter durchgespült wird wie die Werbung am Time Square.

Nach einer reichlichen Stunde neigt sich der Sportwahnsinn dem Ende zu. Wer dem Text über der Bühne bis dahin mit den Augen gefolgt ist, dem ist zu diesem Zeitpunkt wohl schwindlig. Ein Paar hat den Saal bereits verlassen, das Publikum sitzt auf verlorenem Posten, Eiworth steht nun mit einer Textrolle da und kommt zu Wort. Es geht um Frauen, um Olivia im Speziellen, die sich wünschen, auch mal einen Blowjob zu bekommen – „oder wie das bei Frauen heißt“. (Spoiler: es heißt Cunnilingus!) Außerdem geht es um Popeyes Penis. Nach Feuchtgebiete und Fifty Shades of Grey ist allgemein bekannt, dass die detaillierte Beschreibung von sexuellen Handlungen, auch deren Vollzug auf der Bühne, in Literatur und Theater mittlerweile salonfähig ist. Sie garantieren allerdings keinen künstlerischen Wert. Der ästhetische und darstellerische Wert von „Liebe/ Eine argumentative Übung“ ist nicht abzustreiten. Auch inhaltlich verspricht der Titel viel, was der Abend nicht halten kann. Das Einstiegslevel, um intellektuell mitzukommen, ist ziemlich hoch. Wer sich für Performance und Tanztheater also begeistert und schon Erfahrungen hat, ist hier richtig.

Kritik: Jana Taendler