Die Brutalität des Spiels – „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“ in der Theaterakademie (Kritik)

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1926 beginnt Bertolt Brecht mit der Arbeit an einem Drama, das er nie fertigstellen wird: Der Untergang des Johann Fatzer, ein Stück, mit dem sich sogar dieser Mann übernimmt, der heute als eines der ganz großen Genies der deutschen Geschichte gilt. Mit seinem Tod hinterlässt er nur ein fragmentarisches Manuskript, teilweise noch nicht mal auf Papier geschrieben. Jahrzehnte später kann es, in mühevoller Kleinstarbeit, teilweise restauriert werden. Über 500 Seiten kommen dabei heraus. Bis heute wurde das Stück nur selten aufgeführt, gilt teilweise sogar als unaufführbar.

© Jean-Marc Turmes

Genau diesem unmöglichen Projekt hat sich nun der Regiestudent Demjan Duran angenommen. Gemeinsam mit dem Team der Theaterakademie August Everding hat er ein ungefähr einstündiges Projekt entwickelt, mit dem er versucht, sich dem Werk anzunähern. Die Geschichte zu beschreiben hat nicht viel Sinn, denn sie spielt eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stehen die Figuren, deren Beziehungen und Dynamiken. Die Schauspieler (Oscar Bloch, Adi Hrustemovic, Regina Speiseder und Thomas Sprekelsen) spielen dabei nicht immer dieselbe Rolle, sondern wechseln zwischen ihnen hindurch, sagen ihre eigenen Regieanweisungen, ohne diese dann auszuführen, oder stellen im Alleingang Gespräche zwischen Nebencharakteren dar. Es wirkt wirr, was sie tun, aber die Leistung der Schauspieler erlaubt es ihnen, dieses Experiment zu wagen und auch erfolgreich abzuschließen.

© Jean-Marc Turmes

Die Bühne, bestehend aus ungefähr 50 Stapelkisten, ist dabei stets im Wandel und wird von den Schauspielern selbst umgebaut, während sie spielen. So minimalistisch sie erscheint, so groß ist ihr Effekt, denn die Schauspieler spielen damit, klettern auf sie. Genauso instabil und wirr wie die Figuren, ist auch die Bühne, ständig im Umbruch (im wahrsten Sinne des Wortes!). Die Kostüme, erstellt von Josefin Kwon, sind ebenso minimalistisch. Lediglich schwarze Anzüge, mit denen aber irgendetwas nicht stimmt, doch davon muss sich jeder Zuschauer selbst ein Bild machen.

Es ist schwierig zu beschreiben, was alles in dem Stück geschieht, aber ebenso wie Brecht mit seinem Fragment experimentierte, so wurde auch hier experimentiert. Ob nun mit den Kostümen anders gearbeitet wird als gewohnt oder ob die Schauspieler den Raum plötzlich völlig anders nutzen, alles wirkt neu und trotzdem passend. Im Gegensatz zu vielen anderen experimentellen Stücken bleibt man nicht rat-, sondern viel eher sprachlos zurück.

Zu viel zu sagen wäre dabei aber an dieser Stelle, auch wenn es Theater ist, ein Spoiler. Es ist zum Schluss ein Stück entstanden, das jeder anders erleben kann und wird. Aber es ist empfohlen, es zu erleben, so lange man noch kann, wenn man es schafft sich vielleicht einmal völlig Neuem zu öffnen.

Kritik: Cedric Lipsdorf