Sacred – Erasure in der TonHalle (Bericht)

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Ganze elf Jahre hat es gedauert, aber nun sind sie wieder mit einer eigenen Show in der Stadt: Erasure. Zwar durfte man Vince Clarke und Andy Bell bereits letztes Jahr als Support von Robbie Williams lauschen, aber nichtsdestotrotz blieb da weiterhin die Hoffnung, endlich mal wieder eine vollkommene Show der Synth-Pop-Barden besuchen zu können. Und so sollte es dann am 4. März 2018 auch sein, denn die restlos ausverkaufte TonHalle beherbergte die beiden Briten mit ihrer Show zum neuen Album „World Be Gone“. Und wir waren für euch dabei.

Überraschend bereits auf den ersten Blick: das Publikum. Natürlich größtenteils älteres Semester in den besten 40ern und 50ern, findet man tatsächlich fast nur Mittfünfziger-Pärchen, die wohl die alten Hits wieder einmal hören wollen, und fast kein jüngeres Publikum, nur in Ausnahmefällen. Und weil es eben vielleicht nicht das übliche Konzertpublikum ist, das sich heute in der TonHalle eingefunden hat, ist die Location eine halbe Stunde vor Beginn schon rappelvoll, Nachzügler gibt es praktisch keine. Schön ist das vor allem für Bright Light Bright Light, die um 19:55 Uhr den Abend eröffnen. Aufgestellt mit Schlagzeuger, Keyboarder/Sampler und Sänger, klingt das alles irgendwie etwas wie eine moderne und etwas melancholischere Fassung der Erasure-Musik. Frontmann Rod Thomas, auch Kopf der Truppe, erinnert zwangsläufig äußerlich ein wenig an Freddie Mercury mit seinem extraordinären Farben-Anzug und stimmlich an Adam Lambert, aber auf Sparflamme. Die prinzipiell stark komponierten Songs funktionieren live ziemlich gut, leiden aber etwas an der schlecht abgemischten Front-Stimme und der zu langen Live-Inszenierung, denn beim fünften Refrain schwindet die gute Stimmung doch irgendwann ziemlich schnell. Nichtsdestotrotz ein sehr passender und positiv angenommener Support-Auftritt vor der Band, die Thomas selbst als „seine Lieblingsband“ beschreibt.

Setlist: Into The Night / All In The Name / Symmetry Of Two Hearts / Cry At Films / In Your Care / An Open Heart / Running Back To You

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Als um 20:50 Uhr das Licht erlischt, steigt der Jubel-Pegel noch einmal in eine andere Höhe, denn zum Intro steigt Vince Clarke zu seinem Instrumenten-Pult, die Background-Sängerinnen auf ihre Podeste und Sänger Andy Bell zum Mikrofon, um „Oh L’amour“ anzustimmen. Der Bühnenaufbau dazu, vergleicht man es mit YouTube-Videos aus anderen Städten, hat wohl nicht ganz auf die TonHallen-Bühne gepasst, denn der mittlere Durchgang ist normalerweise eben genau das, ein Durchgang, darüber dann Clarke mit seinen Instrumenten – nun wurde er kurzerhand ins Erdgeschoss verlagert. Die etwas kleineren Durchgänge auf den nebenliegenden Seiten passen zwar auf die Bühne, erreichen aber schon die Decke – da hat Erasure gut aufgestockt und es wohl etwas zu gut gemeint, aber der Lichtshow tut es keinen Abbruch, die ist trotzdem allererster Klasse und wechselt die Farben genauso schnell wie Bell und Clarke die Songs.

Selten folgen zwei Songs aufeinander, immer schiebt Frontmann Andy Bell eine kurze Ansage, manchmal auch eine Anekdote ein. Das alles macht er in deutscher Sprache, wenngleich doch dessen Kenntnisse ein wenig eingeschlafen sind und es hier und da zu netten Versprechern kommt, die das Publikum kurz schmunzeln lassen, andererseits ist es unfassbar sympathisch, dass Bell immer wieder seine doch weit überdurchschnittlichen Sprachkenntnisse aufzeigt. Manchmal verschluckt er aber auch die Pointe und der nächste Song startet unerwartet, aber all diese kleinen Momente verzeiht man ihm sofort, wenn er zu singen beginnt, denn auch Jahrzehnte später überrascht der Brite mit seiner glasklaren und absolut tonsicheren Stimme, die ein beachtlich großes Stimmspektrum von immens tief bis wirklich hoher Kopfstimme abdeckt – live ein absolutes Erlebnis und hoffentlich auch die nächsten Jahre weiterhin.

Pause wird überbewertet, so anscheinend das Motto des Duos, weshalb ziemlich schnell durch die doch 24 Lieder umfassende Setlist geschritten wird. Besonders überzeugend definitiv: die Nummern des neuen Albums. Zwar bemerkt man wesentlich, dass z.B. „World Be Gone“ und „Just A Little Love“ ordentlich ruhiger als die üblichen Tanz-Nummern sind, aber das kommt nur der Stimmung zugute, die mit den darauffolgenden Klassikern im Dance-Sektor wieder auch im Tanzbein steigt. Diese, also u.a. „Victim Of Love“, „Stop!“ und „Chains Of Love“ fehlen dabei genauso wenig wie wirklich selten live gespielte Perlen. Als plötzlich „Breathe“ und „Here I Go Impossible Again“ erklingen, jubeln nicht wenige Fans im Publikum, denn genau solche eher unbekannteren Lieder sind ein toller Lohn für die wirklich lange Wartezeit. „Sometimes“ bildet dabei den zu erwartenden Abschluss, bevor Bell und Clarke noch einmal für „A Little Respect“, der ultimativen LGBT-Hymne, die Bühne betreten. „Danke für unser schönstes München-Konzert“, sagt Bell, „bis bald“. Das hoffen wir auch, denn wenn man wieder das schreckliche Radio-Electro-Gedöns hört, kann man von dem hochwertigen Erasure-Pop gar nicht genug bekommen.

Setlist: Oh L’Amour / Ship Of Fools / Breathe / Mad As We Are / Just A Little Love / In My Arms / Chains Of Love / Sacred / Sweet Summer Loving / I Love Saturdays / Victim Of Love / Phantom Bride / World Be Gone / Who Needs Love Like That / Take Me Out Of Myself / Blue Savannah / Atomic (Blondie Cover) / Drama! / Stop! / Love You To The Sky / Always / Here I Go Impossible Again / SometimesZugabe: A Little Respect

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Bericht: Ludwig Stadler
Fotos: Thomas Steinbrunner

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