The Luckiest Man In The World – „Der kleine Prinz“ im Hofspielhaus (Kritik)

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Voll ist es bereits vor der Eingangstür des Hofspielhauses, noch viel voller wird es später noch werden. So voll, dass sogar spontan ein Stuhl dazugestellt wird. Der Anlass? Die Premiere des Stücks „Der kleine Prinz“. Die Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry jährt sich 2018 zum 75. Mal und ist seit Veröffentlichung immer und überall ein Dauerbrenner – wohl auch deshalb, da der Text aktueller wie nie zuvor ist und dabei auch nach all diesen Dekaden immer noch diese Cleverness ohne Abnutzungserscheinungen transportiert. Eine kluge Wahl also, dieses schöne Stück zu wählen, das über den Sommer hinweg im kleinen Open Air-Hof gespielt werden kann.

© Verena Mittermeier

Das größte Problem macht sich das Hofspielhaus auch zeitgleich zur größten Stärkste: die Größe. So nah an der Nebenfrau oder dem Nebenmann ist man wohl genau so selten wie eben auch am Darsteller. Regisseur Sascha Fersch schafft es, die etlichen Rollen sehr gelungen mit Videos einzublenden und letztendlich auf der Bühne nur die wesentlichsten Kern-Charaktere zu haben: Den Piloten und den kleinen Prinzen. Mit cleveren Einfällen wie die des Holzflugzeugs, das nach und nach in angenehmer Größe zusammengebaut wird, bis es am Ende – Überraschung! – komplett fertig gebaut in der Luft hängen kann, bindet er den roten Faden so ein, dass das Publikum tatsächlich durchgehend dabei bleibt. Die anfangs etwas eigenartigen, aber vor allem am Ende wahnsinnig stark werdenden Musik-Einlagen, die gelegentlich mit der selbstbespielten Ukulele eingeschoben werden, funktionieren auch deshalb so gut, weil Fersch immens starke Lieder geschrieben hat. Selbst wenn der Text teilweise in zu offensichtlichen Englisch die Handlung nur erklärt, greifen die Melodien letztendlich das auf, was sie sollen, allen voran im finalen „I Miss You, Forever And A Day“, das überraschend stark von Pilot Martin Halm dargeboten wird.

© Verena Mittermeier

Allgemein sind die beiden Darsteller auch das größte Ass im Ärmel und lassen das Stück überhaupt erst atmen und lebendig werden – das ist hierbei nicht allgemein und phrasenhaft gemeint, denn „Der kleine Prinz“ kann nur gelingen, wenn die Protagonisten eine eigene Version mit Herzblut und Individualität darstellen. Mit Ferdinand Schmidt-Modrow hat man hier garantiert auf den absolut richtigen Mann gesetzt, denn der Fernsehdarsteller („Dahoam is Dahoam“) strahlt schier kindliche Freude aus, wenn er den Jungen vom anderen Planeten mimt und währenddessen die Werte unserer Welt untersucht und hinterfragt. Wenn Intendantin Christiane Brammer im Voraus bereits sagt, er sei der perfekte kleine Prinz, hat sie damit auch absolut recht. Vor allem im Zusammenspiel mit Halm harmoniert das Duo so wunderbar, dass das gerade einmal 60-minütige Vergnügen, welches noch von einer Pause verlängert wird, in Windeseile vergeht. Allein durch die fehlerfrei projizierten Video-Schnipsel der Gebieterinnen und Gebieter anderer Planeten kann schon überhaupt keine Stagnation aufkommen, denn die Gast-Beiträge von u.a. Veronika von Quast und Christiane Blumhoff unterstützen den kleinen Prinzen sehr konsequent in seinem Unverständnis über die Welt.

© Verena Mittermeier

Als „Märchen für Erwachsene“ gilt Saint-Exupérys Werk – und dementsprechend vielschichtig ist, trotz der verspielt-kindlichen Interpretation, der Text von Schmidt-Modrow. Moralische Instanzen werden ebenso hinterfragt wie die allgemeingültigen Werte auf den Kopf gestellt. Ein Träumer aus einer anderen Welt könnte man meinen, so gutherzig, dass er im realen Leben wohl niemals existieren würde. Aber hier, im Hofspielhaus, existiert er für eine Stunde. Denn letztendlich, trotz all der Zweifel, geht es wie immer um die Liebe, die Liebe zu seiner Rose und ihrer Einzigartigkeit, aber auch ein wenig zu ihrer Vergänglichkeit. Die Wahl von hochwertigen und auch bekannteren Schauspielern hat sich vollends ausgezahlt – die liebevolle Inszenierung ist bereits an einigen Tagen ausverkauft. Und sollte das Wetter dementsprechend halten, dürfte die märchenhafte Tragikomödie doch eines der Highlights im Sommer in München sein, das den Besuch mehr als lohnt.

Kritik: Ludwig Stadler