Krieg und Frieden – Daniel Müller-Schott in der Philharmonie (Kritik)

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Mit Daniel Müller-Schott interpretierte am 25. November 2019 ein gebürtiger Münchner das melancholische Cellokonzert von Edward Elgar in der Philharmonie. Orchester des Abends ist die Dresdner Philharmonie, geleitet von Cristian Măcelaru, das seinerseits noch Johannes BrahmsDritte Symphonie darbot.

Zunächst eröffnet Antonín Dvořak, der sich seinerseits sehr lobend über BrahmsDritte Symphonie geäußert hat, mit seinen Legenden Nr. 1, 6 und 10 den Abend. Mit fragil-feiner Phrasierung der Streicher und dominanter Pauke entführt die Dresdner Philharmonie tänzerisch in die böhmische Mythenwelt.

Nach Dvořaks gewohnt gefälligen Melodien folgt Elgars Konzert für Violoncello und Orchester – die letzte bedeutende Komposition des Engländers, entstanden unter den Eindrücken des Ersten Weltkriegs sowie großem privaten Leid.

© Uwe Arens

Zurückhaltend eröffnen die markanten Akkorde des Soloinstruments das Stück, wie ein auf schmerzhafte Zeiten zurückblickender Erzähler, der erst in Fahrt kommen muss, für den die ersten Worte anstrengend sind und Überwindung kosten. So wie sich das erste Thema entwickelt, so entwickelt sich auch die Stimme des Erzählers, sie fasst Fuß und wird mutiger. Den zweiten Satz – den ohnehin jede*r Cellist*in anders spielt – geht Müller-Schott mit unregelmäßigen Sechzehnteln und zerrissenen Pizzicato-Akkorden sehr frei an und schafft so einen guten Kompromiss zwischen optimistischeren Zügen und der doch immerwährenden Verzweiflung.

In vereinzelten Tuttistellen braucht das Orchester einen kurzen Moment, bis es dynamisch vereint sein Crescendo beginnen kann. Dann aber bauscht sich sein Klang zu voluminösen Wänden auf, die Reminiszenzen von freudenreicheren Zeiten zwischen die meist lamentierenden Passagen des Cellos streut. Müller-Schott verwendet vergleichsweise wenig Vibrato, er verzichtet darauf, wann immer es geht. Ebenso pflegen Solist und Orchester einen vorwiegend kratzigen Sound. Diese Interpretation setzt auf Antiästhetik – wie es die Umstände der Komposition nur bestens rechtfertigen. Schneidend fahren die hohen Phrasenabschlüsse im zweiten Satz durch den Saal, schroff überbetonte Akzente im Finale rütteln auf. Zudem ist es erstaunlich, welche unglaublich leisen Töne von Müller-Schott und der Dresdner Philharmonie möglich sind – der Saal ist gefesselt. Der Solist bedankt sich mit zwei Zugaben, dem Gesang der Vögel von Pablo Casals sowie Tchonguri von dem georgischen Komponisten Sulkhan Tsintsadze.

© Adriane White

Die zweite Hälfte des Abends gehört Cristian Măcelaru und der Dresdner Philharmonie alleine. Das Orchester, das einst sowohl von Antonín Dvořak als auch von Johannes Brahms höchstselbst dirigiert wurde, präsentiert die Dritte Symphonie des Letztgenannten. Brahms als eiserner Verfechter der absoluten Musik hat seiner Musik nie ein außermusikalisches Sujet zugrunde gelegt, wie es die programmmusikalischen Konkurrenten taten – und doch meint die Mehrheit ländliche Naturszenen in dieser Symphonie zu erkennen. Clara Schumann beispielsweise hörte den „geheimnisvollen Zauber des Waldlebens“ aus dem Werk in F-Dur (was immerhin die klassische Pastorale-Tonart ist, man denke an Beethovens Sechste…). Passend harmlos und beherrscht gestaltet Măcelaru den ersten Satz, dabei nie belanglos durch nuancierte dynamische Gestaltung und starker Hervorhebung der Holzbläser. Toll geschlossen agiert die Bläsergruppe zu Beginn des zweiten Satzes, der lautstärkentechnisch deutlich stärker in Erscheinung tritt. Auch die Vorstellung des ersten Themas im dritten Satz gelingt prägnant, was immer für angenehme Nachvollziehbarkeit durch alle Weiterentwicklungen hinweg sorgt. Im abschließenden Satz reißen die leidenschaftlich-flott ausgestalteten Steigerungen und die stets akribische Phrasierung der Streicher mit, bis das Ringen der Emotionen friedlich verebbt. Eine solide Interpretation, die nie ausartet, nie die Grenzen des Klangvolumens überschreitet.

Cristian Măcelaru bedankt sich abschließend ausführlich bei jeder einzelnen Stimmgruppe – nach diesem versöhnlichen Ende fernab aller kriegerisch und emotional gebeutelten Zeiten.

Kritik: Bea Mayer